Ameisen können auch Schaden anrichten
01.03.2019 Lesezeit: ca. MinutenMinute
Ätherische Öle gegen Schädlinge
WACKER-Fachleute arbeiten an gesundheitlich unbedenklichen Lösungen, um Schadinsekten von Häusern fernzuhalten. Funktionelle Beschichtungen schlagen Schädlinge allein durch den Geruch ätherischer Öle in die Flucht. Stabilisiert werden diese Formulierungen durch Cyclodextrine, die für die kontrollierte Freisetzung der Inhaltsstoffe sorgen.
Ameisen im Haus sind nicht nur lästig, sie können auch großen Schaden anrichten. Sogenannte holzzerstörende Arten befallen tragende Holzteile und Dämmstoffe. Besonders gerne siedeln sich die Insekten in Zwischendecken an und sind daraus nur noch schwer zu vertreiben.
Noch gefürchteter bei Hausbesitzern sind Termiten, besonders in den USA, wo viele Häuser aus Holz gebaut sind. Laut der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) geben Hausbesitzer jährlich zwei Milliarden US-Dollar aus, um das zerstörerische Werk der Winzlinge zu beseitigen.
„Solche Schäden können jahrelang verborgen bleiben. Meist entdecken nur Profis eindeutige Hinweise auf einen Ameisen oder Termitenbefall.“
Mark Harrison, Global Business Development Manager bei WACKER BIOSOLUTIONS im US-amerikanischen Adrian
Leise und unbemerkt
Was die kleinen Insekten so gefährlich macht: Sie arbeitet lange Zeit leise und unbemerkt. Die befallene Fassade sieht von außen fast unbeschadet aus, ist aber von innen zerfressen. Das macht die Konstruktionen brüchig und begünstigt das Eindringen von Feuchtigkeit. Das fördert wiederum Fäulnis und Pilzwachstum – und so ist letztlich die Stabilität des gesamten Gebäudes gefährdet. Neben Holz können Ameisen und Termiten auch Papier, Bücher, Dämmstoffe und sogar Schwimmbadauskleidungen und Filtersysteme zersetzen.
Um eine Ungezieferplage wieder loszuwerden, ist es meist notwendig, das geschädigte Holz zu entfernen und das Gebäude umfangreich mit Pestiziden zu behandeln. Giftköder sind eine weitere Option, um die Insekten wieder zu beseitigen. Eine dritte, weniger radikale Möglichkeit: Die Insekten sollen gar nicht erst im Haus Fuß fassen. Die Idee ist sozusagen, ein Holzhaus unattraktiv für die Schädlinge zu machen – und das könnte beispielsweise über bestimmte Geruchsstoffe funktionieren.
„Für solche Einsatzgebiete rücken ätherische Öle immer mehr in den Vordergrund, denn einige der flüchtigen Naturstoffe wirken abstoßend auf bestimmte Tiere“, sagt der WACKER-Spezialist Mark Harrison. So werden Lavendelblüten seit jeher verwendet, um Motten aus dem Kleiderschrank fernzuhalten. Viele chemische Verbindungen, die sich aus ätherischen Ölen isolieren lassen, haben diese abstoßende Wirkung und werden deswegen Repellents genannt.
Seit einigen Jahren untersuchen Forschungsinstitute insbesondere in feuchtwarmen Regionen verstärkt, ob und wie ätherische Öle gegen diverse Insekten schützen können – nicht zuletzt, um Krankheiten wie Malaria oder Gelbfieber einzudämmen, die durch Insekten verbreitet werden. Auch Spinnen könnten eine mögliche Zielgruppe für solche Anwendungen sein: Sie richten zwar in der Regel keinen Schaden am Haus an, aber gerade in den heißen Regionen gibt es Arten, die auch für Menschen giftig sind.
Industrieunternehmen wie WACKER arbeiten daran, Naturstoffe zur Vertreibung von Insekten nutzbar zu machen. Weil die enthaltenen Substanzen meist ein breit gefächertes Wirkspektrum aufweisen, sind sie für viele sehr unterschiedliche Anwendungen interessant. „Auch die Baubranche ist auf die Inhaltsstoffe von ätherischen Ölen aufmerksam geworden“, erklärt WACKER-Experte Harrison. „Auf einer natürlichen Wirkstoffbasis könnten damit Wandfarben und andere Beschichtungen formuliert werden, um Insekten fernzuhalten.“
Duftstoffe mit Wirkung
Ätherische Öle lassen sich aus zerkleinerten Pflanzenteilen gewinnen. Sie bestehen vorwiegend aus leicht flüchtigen Terpenen, die biologisch und pharmakologisch interessant sind und auch als Geruchs- und Geschmacksstoffe eingesetzt werden. Anders als fette Öle wie Oliven- oder Sonnenblumenöl, die hauptsächlich aus nicht flüchtigen Fettsäureestern bestehen, verdunsten ätherische Öle recht schnell. Sie hinterlassen auf Papier oder Textilien in der Regel keine Fettflecken.
Viele ätherische Öle und ihre Bestandteile besitzen erstaunlich hohe antimikrobielle Eigenschaften. In mehreren wissenschaftlichen Studien erwies sich zum Beispiel Thymianöl als hochwirksam gegen Bakterien und Schimmelpilze. Auch Nelkenblüten- und Zimtblätteröl besitzen eine fungizide Wirkung. Zimtrindenöl ist dagegen stark gegen Bakterien. Zudem werden die Mikroorganismen nach heutigem Kenntnisstand nicht gegen ätherische Öle resistent.
„Mit ätherischen Ölen können auf einer natürlichen Wirkstoffbasis Wandfarben und andere Beschichtungen formuliert werden, um Insekten fernzuhalten.“
Mark Harrison, Global Business Development Manager, WACKER BIOSOLUTIONS
Flüchtige Substanzen
Allerdings haben viele ätherische Öle zwei entscheidende Nachteile: Sie sind zum einen chemisch sehr empfindlich – viele ihrer Inhaltsstoffe werden durch Luft und Licht zerstört. Teilweise verändern sie sich beim Erwärmen oder in Gegenwart saurer oder alkalischer Medien. Dadurch verlieren die Substanzen schnell an Wirksamkeit. „Einige Komponenten würden bereits das Einrühren in den Putzmörtel oder in die Wandfarbe nicht überstehen“, erklärt Mark Harrison. Zum anderen sind ätherische Öle so flüchtig, dass sie nach wenigen Tagen aus dem applizierten Anstrich oder Belag verschwunden wären.
Mit einem molekularen Trick lassen sich diese Schwächen jedoch ausräumen: Wenn die funktionellen Coatings mittels Cyclodextrinen von WACKER formuliert werden, sind die empfindlichen Duftstoffe vor zerstörerischen Einwirkungen geschützt. Bei Cyclodextrinen handelt es sich um ringförmige Zuckermoleküle, die andere Moleküle reversibel einschließen können. WACKER stellt Cyclodextrine auf biotechnologischem Weg aus Maisstärke her und vermarket sie unter dem Namen CAVAMAX®.
In ihrem Inneren weisen diese molekularen Verkapselungskünstler einen hydrophoben Hohlraum auf, der – wie ein winziger Tresor – die Duftstoffe sicher einschließt. Der Schlüssel zum Öffnen dieses Tresors sind Wassermoleküle. „Wirkt Feuchtigkeit auf die Einschlussverbindung, können die Substanzen wieder in ihrer ursprünglichen Form entweichen und ihre Funktion erfüllen“, erklärt der WACKER-Chemiker Mark Harrison. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass diese Form der Freisetzung auch bei getrockneten Anstrichen funktioniert.“
„Wirkt Feuchtigkeit auf die Einschlussverbindung, können die Substanzen wieder in ihrer ursprünglichen Form entweichen und ihre Funktion erfüllen.“
Mark Harrison, WACKER-Chemiker
Abstoßende Wirkung belegt
Gemeinsam mit einem externen Partner arbeiten Harrison und sein Team daran, die Cyclodextrine als Bestandteil funktioneller Beschichtungen zu etablieren – und somit für die Baubranche nutzbar zu machen. Der Gedanke ist: Wandfarben, die keinem Schlagregen ausgesetzt sind, enthalten die molekularen Tresore inklusive eines insektenabstoßenden ätherischen Öls. Dann bestimmt die Luftfeuchtigkeit, wie viel des Duftstoffs an die umgebende Luft abgegeben wird. Je mehr Wassermoleküle in der Atmosphäre sind, desto stärker die Freisetzung. Die Cyclodextrine fungieren sozusagen als Reservoir, damit das Repellent kontinuierlich und über einen längeren Zeitraum gegen die Schädlinge wirken kann. Tests mit einem fünfprozentigen Cyclodextrin-Citronella-Ölkomplex, der 0,5 Prozent dieses ätherischen Öls aus Zitronengras enthält und einer handelsüblichen Dispersionsfarbe hinzugefügt wurde, bestätigten zum Beispiel die abstoßende Wirkung gegen Ameisen. Der Schutz- und Freisetzungsmechanismus funktioniert sogar so gut, dass die mittels Cyclodextrinen ertüchtigten Beschichtungen den Duftstoff bis zu drei Jahre abgeben können.
Natürlich gegen Schimmel
Wandfarben, insbesondere Innenfarben, basieren heute meist auf Wasser statt auf organischen Lösungsmitteln. Umwelt- und gesundheitsbedenkliche Emissionen konnten dadurch erheblich gesenkt werden. Die Kehrseite ist allerdings: Wasserbasierte Farben sind anfälliger für mikrobiellen Befall. Bakterien und Pilze finden darin ideale Wachstumsbedingungen. Damit die Farbe nicht verdirbt, bevor der Verbraucher sie benutzt, setzen die Hersteller Mikrobizide hinzu. Heutzutage sind das meist Chemikalien, die Bakterien und Pilze abtöten. Allerdings wirken diese Substanzen beim Menschen oftmals reizend auf Haut und Schleimhäute und sind umweltschädlich. Der Trend geht deswegen hin zu Lösungen, die auf natürlichen, weniger bedenklichen Zusätzen basieren – beispielsweise auf ätherischen Ölen wie Lavendel, Citronella oder Rosmarin.
Viele dieser Naturstoffe besitzen antimikrobielle Eigenschaften. Allerdings sind sie leicht flüchtig, wasserunlöslich und chemisch oftmals instabil. Aus diesen Gründen lassen sich die organischen Substanzen nicht ohne Weiteres in wasserbasierte Farben hinzugeben. Deswegen nutzt WACKER seine Cyclodextrine, um dieses Problem zu lösen: Die ringförmigen Zuckermoleküle nehmen die ätherischen Öle in ihren lipophilen (fettliebenden) Hohlraum auf, sodass sie nur langsam verdampfen und ihre antimikrobielle Wirkung über einen längeren Zeitraum entfalten können. Gleichzeitig verbessern die Cyclodextrine aufgrund ihrer hydrophilen (wasserliebenden) Hülle die Löslichkeit der organischen Substanzen. Die WACKER-Experten haben bereits Formulierungen der ringförmigen Zuckermoleküle mit eingeschlossenen ätherischen Ölen hergestellt. Derzeit sind Varianten mit Lavendel-, Pfefferminz- und Citronella-Öl erhältlich, die sich für wasserbasierte Farben eignen.
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