Sauber, stabil, sicher – und das seit 100 Jahren

Burghausen, 08.12.2022

Als Lebensader des Landkreises Altötting wird der von Hirten bis Burghausen führende Alzkanal gerne bezeichnet. Stellt das rund 16 Kilometer lange Bauwerk tatsächlich so etwas wie die Aorta des hiesigen Wohlstandes dar, dann sitzt an ihrem Zielpunkt unweigerlich die Herzkammer. Nur, dass diese im vorliegenden Fall, anders als ihr organisches Muskelpendant, nicht pumpt, sondern es in ihrem Inneren rotiert – kraftvoll und beständig, zuverlässig seit genau 100 Jahren. So alt wird das Wasserkraftwerk der Wacker Chemie am 10. Dezember. 1922 ging es in Betrieb. Seitdem haben die Turbinen im Maschinenhaus so viel Strom erzeugt, dass damit zwei Jahre lang Berlin oder dreieinhalb Jahre lang München versorgt werden könnten.

Vom hoch oben an der Hangkante gelegenen Wasserschloss aus schießt das Wasser über die fünf Fallrohre in die Tiefe. Im Maschinenhaus wird die daraus resultierende Energie dann zur Stromgewinnung genutzt.
Vom hoch oben an der Hangkante gelegenen Wasserschloss aus schießt das Wasser über die fünf Fallrohre in die Tiefe. Im Maschinenhaus wird die daraus resultierende Energie dann zur Stromgewinnung genutzt.

Noch heute ist das ganz im Osten des Werks gelegene Wasserkraftwerk mit dem hoch oben gelegenen Wasserschloss, den fünf genieteten Fallrohren und dem auf Salzachniveau angesiedelten Maschinenhaus wichtiger Bestandteil des WACKER-Energiekonzepts. Zwar trägt es mit acht bis zehn Prozent nur mehr einen überschaubaren Anteil des Gesamtstrombedarfs bei, doch punktet es mit Grundlastfähigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit.

Vor hundert Jahren war die Wasserkraft nichts weniger als der alles entscheidende Grund, weshalb Firmengründer Alexander Wacker überhaupt in die Region kam. 1913 hatte das Königlich Bayerische Ministerium des Innern dem damals schon 60-jährigen Unternehmer die Konzession erteilt, das Wasser der Alz zu nutzen. Die steile Hangkante des Salzachufers machte den Standort Burghausen attraktiv. Mehr als 60 Meter Gefälle hat die Natur hier geschaffen. Ideale Bedingungen, um die Kraft des herabstürzenden Wassers zur Stromgewinnung zu nutzen. So musste „nur“ noch das Wasser der 16 Kilometer entfernt gelegenen Alz hertransportiert werden.

Dieses „Nur“ ging Alexander Wacker – nach mehreren Jahren kriegsbedingten Wartens – ab August 1916 an. Der Alzkanal wurde in Angriff genommen: 3000 Arbeiter, 1,65 Millionen Kubikmeter Erdbewegung, 17.000 Kubikmeter Bauholz, 44.000 Tonnen Zement – ein Mammutprojekt, das nicht nur den elektrischen Strom in die Region brachte, sondern den  bis dahin von Hochwassern leidgeplagten Alz-Anrainern auch Sicherheit und zusätzliches Ackerland bescherte.

Ende 1922 war es so weit. Im fertiggestellten Wasserkraftwerk am Salzachhang lieferte am 10. Dezember der erste von fünf Generatoren, angetrieben durch eine 10.000 PS starke Francis-Zwillings-Frontalturbine, erstmals elektrischen Strom ins Netz. Zwei Tage später folgte die zweite Maschineneinheit, bis Anfang Mai 1923 war das Quintett vollständig. Die 1918 gegründete Alzwerke GmbH, bis heute eine hundertprozentige WACKER-Tochter, nahm Bayerns damals größtes Wasserkraftwerk in Betrieb. Das wachsende Chemiewerk hatte seine eigene Stromversorgung. Und mit ihm wurde die Elektrizität auch Bestandteil des Umlandes. So gab es anfangs Strom im Überfluss, mit der bei WACKER erzeugten Energie konnten die Dörfer der Region mitversorgt werden.

Mit steigender Produktion und entsprechend wachsendem Energiebedarf aber war es bald vorbei mit dem Überschuss. Das Kraftwerk geriet durch die eingesetzte Maschinentechnik an seine Erzeugungsgrenzen. Vielmehr musste Strom zugekauft werden.

So wurde Mitte der 1950er Jahre entschieden, die Maschinensätze auszutauschen. Die Frontalturbinen kamen raus, kraftvollere Spiralturbinen und neue Generatoren wurden eingebaut, was die Gesamtleistung um fast ein Viertel steigerte. Für den Umbau wurde das Kraftwerk nie abgestellt. Es produzierte während der dreijährigen Umbauzeit ständig Strom.

Bis heute leisten die Spiralturbinen zuverlässig ihren Dienst, unterbrochen zumeist nur von Wartungsarbeiten oder komplett bei Revisionsarbeiten am Kanalgerinne, darunter die jüngste Generalsanierung des Alzkanals im Sommer 2016.

Im Mittel werden pro Jahr 265 Gigawattstunden Strom erzeugt - genug, um rechnerisch 90.000 Haushalte versorgen zu können. Seit der Inbetriebnahme Ende 1922 summiert sich die Produktion auf rund 24,8 Terrawattstunden, das sind 24,8 Milliarden Kilowattstunden.

Dabei dient das Wasserkraftwerk nicht nur der normalen Stromversorgung. Von zentraler Bedeutung – wenngleich bis heute in dieser Funktion nie benötigt – ist seine Rolle der behördlich geforderten Notstromversorgung für sicherheitsrelevante Betriebsfunktionen. Chemieunternehmen wie WACKER sind verpflichtet vorzusorgen, um im Fall eines kompletten Blackouts der öffentlichen Netze ihre Anlagen in einen sicheren Zustand herunterfahren und halten zu können. WACKER kann hier auf sein Alzkraftwerk vertrauen. Die Generatoren können in einer als Inselbetrieb bezeichneten Fahrweise über die sogenannte Schiene-S im Fall des Falles den Notstrom für die kritischen Betriebe liefern. Damit kann die Sicherheit der Anlagen und der darin weiterlaufenden chemischen Prozesse bis hin zu einem gefahrlosen Betriebszustand gewährleistet werden. Die Nutzung der Schiene-S unterliegt strengen Kriterien, damit die Leistung auch bei geringer Wasserführung noch sicher bereitgestellt werden kann.

Damit bietet das Alzkraftwerk Sicherheit und Nachhaltigkeit zugleich. Es trägt einen relevanten Teil zu den Nachhaltigkeitszielen der Wacker Chemie bei. So hat sich das Unternehmen das Ziel gesetzt, bis 2030 seinen Treibhausgas-Ausstoß zu halbieren – und das nicht etwa abhängig von der Produktionsmenge, sondern absolut und trotz ehrgeiziger Wachstumspläne. Spätestens 2045 soll die komplette Klimaneutralität erreicht sein. Das bedeutet auch, dass bis dahin der gesamte Strombedarf CO2-neutral abgedeckt sein muss. Dank der Wasserkraft leistet WACKER hier bereits seit 100 Jahren Vorarbeit. Denn: Würde die Jahresproduktion der Alzwerke über den herkömmlichen deutschen Strommix bezogen, hätte dies einen CO2-Ausstoß von fast 150.000 Tonnen jährlich zur Folge.

Zur Wasserkraft werden sich im Zuge der Transformation hin zur Klimaneutralität weitere regenerative Energien gesellen. Aktuell etwa wird untersucht, inwieweit PV-Anlagen forciert werden können. Zudem unterstützt das Unternehmen den Landkreis Altötting und die Nachbarkommunen bei der Idee, in größerem Umfang Windkraftanlagen zu errichten. Bis zu zehn Prozent des derzeitigen Strombedarfs des Bayerischen Chemiedreiecks könnten so sauber vor Ort produziert werden.

Die künftigen Hoffnungen ruhen in der Kombination „grüner“ Strom und „grüner“ Wasserstoff. Damit bleibt Wasser in vielerlei Hinsicht fester Bestandteil der WACKER-Welt. Als Ausgangsstoff zur Herstellung von Wasserstoff etwa, aus dem, in Verbindung mit unvermeidbarem CO2, beinahe die gesamte Bandbreite der Basischemie hergestellt und damit die bisherige fossile Grundlage ersetzt werden kann. Oder auch als Lieferant von Energie und Kühlwasser. Seit 100 Jahren strömt es über die Lebensader des Landkreises in die rotierende Herzkammer im WACKER-Werk. Deren Leistungsfähigkeit ist ungebrochen. Keine Spur von Herzinsuffizienz also.

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Wacker Chemie AG
Werk Burghausen, Kommunikation / Information

Christoph Kleiner
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