Schutz vor Sprayern
Unerwünschte Graffiti und illegal aufgebrachte Aufkleber, Poster oder Plakate verursachen alleine in Deutschland jedes Jahr Millionenschäden. Eine speziell entwickelte Siliconbeschichtung von WACKER kann helfen, die Reinigungskosten niedrig zu halten.
Graffiti-Sprüher sind meist nachts unterwegs und sprühen ihre oft großformatigen Bilder, die sie pieces nennen, und ihre kleinen Signaturkürzel, die sogenannten tags, auf Wände, Mauern und Schienenfahrzeuge. Fast immer geschieht dies ohne Einwilligung des Eigentümers, dem nur das buffing übrigbleibt – so nennt die Szene das Entfernen illegaler Graffiti.
Besonders schwer zu entfernen sind auch egg shell sticker: Dies sind Aufkleber und Plakate, die oft auf Veranstaltungen hinweisen und meist auf kleineren Objekten wie Verteilerkästen und Verkehrsschildern angebracht werden.
Die Schäden, die durch illegale Graffiti und wildes Plakatieren entstehen, beziffert der Deutsche Städtetag für die Bundesrepublik auf jährlich mindestens 200 Millionen Euro. In den USA liegen die Kosten für die Graffiti-Entfernung nach Angaben des Justizministeriums bei etwa zwölf Milliarden US-Dollar pro Jahr. Besonders hohe Kosten verursacht die Praxis des bombing, bei der ein Sprüher versucht, in kurzer Zeit nach dem Prinzip Masse vor KIasse so viele simple Schriftzeichen wie möglich anzubringen.
Öffentliche und private Eigentümer suchen daher nach Wegen, die Beseitigungskosten niedrig zu halten. Eine Möglichkeit dazu bietet die vorbeugende Behandlung mit einem Anti-Graffiti-Schutzsystem. Mit SILRES® BS 710 hat die Wacker Chemie AG ein Wirkstoffkonzentrat für die dauerhafte Graffitiprophylaxe entwickelt. Der Konzern stellt dieses Produkt auf der European Coatings Show 2017 erstmals einem breiten Fachpublikum vor.
Die meisten Anti-Graffiti-Systeme bilden auf dem zu schützenden Untergrund einen durchgehenden Film, der sämtliche Poren des Untergrunds verschließt und als Trennschicht zwischen dem Substrat und der aufgesprühten Farbe wirkt.
Die Trennschicht sorgt dafür, dass die aufgesprühte Farbe nicht in die Poren des Untergrunds eindringt und dass das Graffito schlecht auf dem Untergrund haftet und sich daher leicht wieder entfernen lässt. Das Graffito kann in einem Reinigungsverfahren mit einem geeigneten Reinigungsmittel abgewaschen werden, die beide stets auf die jeweilige Beschichtung abgestimmt sein sollten.
Ein Techniker besprüht eine unverputzte Testwand im Burghauser WACKER Werk mit einer handelsüblichen Farbe, wie sie auch von Graffiti- Sprayern verwendet wird.
Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Graffitiprophylaxe werden temporäre, semipermanente und permanente Systeme unterschieden. Kriterium ist dabei, wie sich die Trennschicht beim Abwaschen der Graffiti verhält. Bleibt sie vollständig erhalten und übersteht sie mindestens 20 Sprüh-Attacken samt nachfolgenden Reinigungsprozessen, gilt das System als permanent; wird sie dagegen zusammen mit den Graffiti abgewaschen, spricht man von einem temporären System oder einer Opferschicht. Semipermanente Systeme liegen in der Beständigkeit zwischen den beiden Extremen.
Die drei Klassen haben jeweils ihre Vor- und Nachteile (siehe unten). „Temporäre Systeme sind dort vorteilhaft, wo das Aussehen der Fassade unverändert bleiben soll und der Feuchteaustausch sowie die Atmungsfähigkeit nicht behindert werden sollen“, sagt Marianne Kreuzpointner, die bei WACKER für die Vermarktung der Anti-Graffiti-Beschichtung verantwortlich ist. „Diesen beiden Eigenschaften kommt gerade im Bereich Denkmalschutz eine große Bedeutung zu.“ Für permanente Systeme spreche hingegen, dass sie über lange Zeiträume nicht erneuert werden müssten und dennoch ihre volle Anti-Graffiti-Schutzwirkung behielten. „Hinsichtlich der Kosten ist dies ein wichtiges Argument“, betont Kreuzpointner, „gerade in Gegenden, wo immer wieder mit Sprüh-Attacken zu rechnen ist.“
Anschließend versucht er die Wand mit einem Haushaltsschwamm zu reinigen.
Das neue Anti-Graffiti-Wirkstoffkonzentrat von WACKER ergibt eine permanente Siliconbeschichtung. SILRES® BS 710 ist ein kondensationsvernetzender RTV-1-Siliconkautschuk – ein einkomponentiger Siliconkautschuk, der bei Raumtemperatur unter der Einwirkung von Luftfeuchtigkeit durch eine chemische Kondensationsreaktion zu einem Siliconelastomer aushärtet. Das vernetzte SILRES® BS 710 ist mit einer Härte von 37 Shore A weich und erreicht eine elastische Dehnbarkeit von 130 Prozent.
Für gewöhnlich enthalten RTV-1-Beschichtungsmittel einen Oximvernetzer und einen Zinnkatalysator. Bei der Entwicklung von SILRES® BS 710 dagegen realisierten die WACKER Chemiker um Dr. Hartmut Ackermann ein neues Formulierungskonzept: „Wir haben auf einen Silanvernetzer und einen Silanhaftvermittler zurückgegriffen, der zugleich als Katalysator für die Vernetzungsreaktion fungiert“, erklärt Ackermann. „Dadurch konnten wir auf den Einsatz der herkömmlichen gesundheitsschädlichen Komponenten verzichten. Dies ist von Vorteil für alle, die das Konzentrat formulieren oder das daraus hergestellte flüssige Beschichtungsmittel applizieren.“
Auch Ziegelwände, die mit SILRES® BS 710 behandelt wurden, sind nach einer Farbattacke unproblematisch zu reinigen.
Mit einer Viskosität von 5.000 Millipascalsekunden ist das Konzentrat zähflüssig, wird aber unter Scherung dünnflüssiger. Zudem lässt sich die Viskosität durch Zugabe eines aliphatischen Lösemittels verringern. Auch ist es möglich, Pigmente einzumischen und die Masse dadurch einzufärben. Hersteller von Bautenschutzmitteln können SILRES® BS 710 problemlos zu gebrauchsfertigen Produkten weiterverarbeiten. Sie haben dabei die Freiheit, den Wirkstoffgehalt, die Viskosität und, falls nötig, den Farbton anwendungsgerecht einzustellen. Bei der Anwendung von SILRES® BS 710 als transparente Beschichtung muss bedacht werden, dass das Siliconprodukt den Farbton des Untergrunds vertieft und eine glänzende Oberfläche erzeugt.
Dieser Wert liegt unterhalb der sd-Werte herkömmlicher Polyurethanbeschichtungen gleicher Schichtdicke. Formulierungen auf Basis von SILRES® BS 710 sind diffusionsoffen und blockieren den Feuchteaustausch an Fassaden nicht.
Gute Haftung auf Beton und Ziegel
Nicht nur die Weiterverarbeitung des Konzentrats, sondern auch die Applikation der aus SILRES® BS 710 hergestellten Beschichtungsmittel ist denkbar einfach: Sie können auf den Untergrund aufgesprüht oder per Roller oder Pinsel aufgetragen werden.
Unter dem Einfluss der Luftfeuchtigkeit härtet die zunächst flüssige Schicht von außen nach innen aus. Es dauert etwa vier Stunden, bis die Oberfläche nicht mehr klebrig ist. Nach einer Aushärtezeit von gut einem Tag hat sich ein fester Siliconfilm gebildet, der dauerhaft auf vielen porösen mineralischen Untergründen, aber auch auf Holz und Epoxidharzen haftet, ohne dass die Untergründe zuvor mit einem Primer behandelt werden müssen.
Zu den geeigneten mineralischen Untergründen zählen Beton, Ziegel, Putz, Sandstein, Kalksandstein und Natursteine. Dies ergaben Haftungsprüfungen. So wurde auf Kalksandstein ohne Grundierung eine Haftzugfestigkeit von 1,30 Newton pro Quadratmillimeter gemessen – ein Wert, wie er in der Baustoffbranche häufig auch bei Bodenbeschichtungen auf mineralischen Untergründen gefunden wird. Die Prüfungen zeigten auch, dass Glas oder lackierte Metalle mit einem geeigneten Primer vorbehandelt werden müssen, um die notwendige Haftung zu erreichen.
„Mit SILRES® BS 710 steht der Bautenschutzmittel- Industrie ein hochwirksames Konzentrat für die Herstellung von permanenten Anti- Graffiti-Beschichtungsmitteln zur Verfügung.“
Rudolf Hager, Leiter Business Team Construction SiliconesDiffusionsoffener Film mit abhäsiver Oberfläche
Der Anti-Graffiti-Schutz von WACKER eignet sich besonders gut für Infrastrukturbauwerke wie Brücken, Unterführung oder U-Bahn-Stationen.
Der aus SILRES® BS 710 erzeugte Siliconfilm zeichnet sich durch eine ausgeprägt abhäsive Oberfläche aus – also durch eine Oberfläche, auf der andere Substanzen nur sehr schlecht haften. So können Graffiti mit Hilfe eines Schwamms oder handelsüblichen Hochdruckreinigers mit kaltem Wasser abgewaschen werden, ohne dass ein spezielles Reinigungsmittel verwendet werden muss. Poster oder Plakate fallen entweder unter ihrem Eigengewicht von selbst ab oder lassen sich mühelos abziehen.
Die abhäsive Wirkung resultiert aus der außerordentlich niedrigen Oberflächenenergie des Siliconfilms. Es gibt nur sehr wenige Substanzen, die eine noch niedrigere Oberflächenspannung haben. Generell können aber Flüssigkeiten nur dann eine Oberfläche benetzen und dort eine starke Haftung aufbauen, wenn ihre Oberf lächenspannung niedriger als die der Oberfläche ist. Das gilt auch für die von den Sprayern verwendeten Farben und für die bei Aufklebern eingesetzten Klebstoffe. Sie alle haben eine deutlich höhere Oberflächenspannung als das Silicon und haften folglich schlecht auf der Siliconoberfläche.
In ihren Untersuchungen stellten die WACKER Anwendungstechniker fest, dass eine zuverlässige Anti-Graffiti-Schutzwirkung mit einer Auftragsmenge von 200 bis 250 Gramm SILRES® BS 710 pro Quadratmeter erreicht wird. Ist das Mittel korrekt formuliert, genügt dazu eine einmalige Behandlung der Oberfläche. Der ausgehärtete Siliconfilm überdeckt dann die Poren des Substrats vollständig. Dennoch bleibt er diffusionsoffen, sodass Wasserdampf hindurchtreten kann. Den Beleg dazu lieferte der für Schichten des ausgehärteten Materials ermittelte sd-Wert (siehe unten).
Bei Proben, die etwa 200 Mikrometer dick waren – entsprechend der empfohlenen Auftragsmenge von 250 Gramm SILRES® BS 710 pro Quadratmeter –, ergab sich ein sd-Wert von 0,3 Meter (Klasse II, mittel). Dieser Wert liegt unterhalb der sd-Werte herkömmlicher Polyurethanbeschichtungen gleicher Schichtdicke.
Permanenter Schutz
Eine Beschichtung aus SILRES® BS 710 zeichnet sich durch die silicontypische Beständigkeit aus: Sie widersteht Hitzebelastungen und bleibt auch bei starkem Frost flexibel, verkraftet Frost- Tau-Wechsel und Beregnung. Auch die dauerhafte Einwirkung von Licht und UV-Strahlung schädigen den Siliconfilm nicht. Er bleibt elastisch, vergilbt selbst unter anhaltender UVBelastung nicht und behält seine abhäsiven Eigenschaften.
Dies alles wurde in Laborexperimenten zur beschleunigten Alterung, in der Freibewitterung und anhand von Versuchen zur Abreinigung von Graffiti geprüft und bestätigt. Die Anti-Graffiti- Schutzwirkung blieb selbst nach 20 Reinigungszyklen vollständig erhalten, somit bietet SILRES® BS 710 einen permanenten Schutz. Bei den Reinigungsversuchen zeigte sich, dass der Pumpendruck beim Einsatz eines Hochdruckreinigers 100 Bar nicht übersteigen sollte.
„Mit SILRES® BS 710 steht der Bautenschutzmittel-Industrie ein hochwirksames Konzentrat für die Herstellung von permanenten Anti-Graffiti-Beschichtungsmitteln zur Verfügung, die für unterschiedliche Applikationsverfahren maßgeschneidert werden können“, betont Dr. Rudi Hager, der bei WACKER das Business Team Construction Silicones leitet. „Aus SILRES® BS 710 hergestellte Beschichtungsmittel sind zudem einkomponentig, wodurch Mischfehler bei der Applikation ausgeschlossen sind.“
Die Entfernung von tags und pieces, throw-ups, oneliners und roof tops ist nach einer Behandlung mit SILRES® BS 710 denkbar einfach und auch Aufkleber lassen sich mühelos von der behandelten Oberfläche abziehen. Somit kann der WACKER Wirkstoff dazu beitragen, die finanziellen und sozialen Folgen der Graffiti zu begrenzen und die Flut von unerwünschten Aufklebern in den Griff zu bekommen.
sd-WERT
Der sd-Wert – die diffusionsäquivalente Luftschichtdicke – ist ein Maß für den Widerstand, den eine Materialprobe gegenüber der Diffusion von Wasserdampf aufweist. Er gibt an, wie dick eine ruhende Luftschicht gleicher Temperatur sein müsste, damit sie der Wasserdampfdiffusion den gleichen Widerstand entgegensetzt wie die Materialprobe. Angegeben wird der sd-Wert in Meter. Ein niedriger sd-Wert zeigt eine hohe Durchlässigkeit für Wasserdampf an. Nach DIN 7783 ist eine 200 Mikrometer dicke Schicht aus SILRES® BS 710 bezüglich ihrer Diffusionsfähigkeit in Klasse II einzustufen (Mittel: >= 0,14 bis < 1,4 m). Eine hohe Wasserdampfdiffusionsoffenheit wird durch einen sd-Wert < 0,14 m beschrieben. Liegt der sd-Wert >= 1,4 m, ist die Wasserdampfdiffusionsoffenheit als niedrig klassifiziert.
SILRES® BS 710 im Test auf verschiedenen Untergründen
Graffitiprophylaxe: Temporär, permanent oder semipermanent
Der Schutzfilm temporärer Systeme besteht aus Wachsen, Biopolymeren oder Acrylaten. Diese Materialien behindern den Transport von Wasserdampf aus dem Untergrund zur Umgebungsluft nicht und sind unsichtbar, weshalb sie auch auf denkmalgeschützten Bauten eingesetzt werden können. Ihr Nachteil: Nach der Abreinigung der Graffiti muss der Schutzfilm vollständig erneuert werden; selbst ohne Graffiti-Attacke hält die Schicht nur wenige Jahre.
Der große Vorteil von permanenten Anti-Graffiti-Systemen liegt darin, dass sie nach der Graffiti-Abreinigung intakt bleiben und viele Jahre halten, ohne ihre Schutzwirkung zu verlieren. Nachteilig ist, dass sie meist das Aussehen des Untergrunds verändern. Zudem sind die Schichten bei vielen herkömmlichen permanenten Systemen so dicht, dass Wasserdampf nicht hindurchdringen kann. Befindet sich solch eine diffusionshemmende Beschichtung auf einem feuchten Untergrund, kann die Feuchtigkeit nicht entweichen. In der Folge löst sich der Schutzfilm stellenweise ab, wodurch es zur Blasenbildung und zu Farbabplatzungen kommen kann; auch sind Feuchtigkeitsschäden an der Bausubstanz möglich. Bei SILRES® BS 710 tritt dieses Problem nicht auf. Herkömmliche permanente Beschichtungen basieren beispielsweise auf Polyurethanen, Epoxidharzen oder Fluorpolymeren.
Bei semipermanenten Beschichtungen geht nicht die gesamte Trennschicht, sondern nur eine Schichtkomponente bei der Abreinigung verloren. Nach jeder Graffiti-Entfernung und im Turnus von drei bis fünf Jahren muss der Untergrund erneut behandelt werden. Vorteilhaft ist, dass sich semipermanente Beschichtungen mit dem Auge kaum wahrnehmen lassen und dass sie durchlässig für Wasserdampf sind. Eingesetzt werden oftmals Mischungen aus organischen Wachsen, Silanen und Siloxanen.
Mehr Informationen
In unserem Produktportal finden Sie alle technischen Angaben zu SILRES® BS 710.
Zur Produktseite