Silicium für die Chipindustrie muss eine sogenannte 12N-Reinheit haben – also eine Reinheit von 99,9999999999%
Rein, reiner, WACKER-Poly
WACKER POLYSILICON ist der führende Anbieter von hochreinem Silicium für Halbleiteranwendungen. Fast jeder zweite Mikrochip auf der Welt wird aus Polysilicium von WACKER hergestellt. Und weil die Halbleiterhersteller immer höhere Anforderungen an die Reinheit dieses Materials haben, investiert WACKER in die Erweiterung und Leistungsfähigkeit seiner Polysiliciumreinigung in Burghausen.
„Only the paranoid survive.“ So betitelte der langjährige Intel-CEO Andy Grove seine Erinnerungen. In diesem Satz drücken sich der Anspruch auf Fehlerfreiheit und auf immer weiter steigende Qualität aus, die im Fokus der Mikrochip-Industrie stehen. Realisiert hat sich dieser Anspruch im sogenannten Mooreschen Gesetz: Intel-Mitgründer Gordon Moore leitete ihn 1965 aus Beobachtungen seiner Branche ab. Demnach verdoppelt sich alle ein bis zwei Jahre die Anzahl der Schaltkreise auf einem Mikrochip, die Strukturen werden entsprechend kleiner und die Leistungsfähigkeit der Geräte steigt.
Ein aktuelles Beispiel, in welche Performance-Dimensionen die Mikroelektronik mittlerweile vorgestoßen ist, stellt der A17-Chip von Apple dar, der in den neuesten iPhones verbaut ist. Er baut auf der fortschrittlichsten 3nm-Technologie auf, enthält 19 Milliarden Transistoren und ist in der Lage, 35 Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde durchzuführen. Solche modernen Chips ermöglichen nicht nur immer höhere Rechengeschwindigkeiten und Anwendungen, die noch vor wenigen Jahrzehnten als Science-Fiction abgetan worden wären – etwa künstliche Intelligenz und autonomes Fahren. Sie verbrauchen auch weniger Energie und leisten damit einen Beitrag zum Klimaschutz.
Chips wie der A17 schreiben die von Moore vor fast sechs Jahrzehnten beschriebene Entwicklung fort. Möglich werden solche Performance-Steigerungen, weil die Halbleiterindustrie einen immensen technologischen Aufwand betreibt und ihren Qualitätsanspruch auf die gesamte Lieferkette richtet. Auch von ihren Zulieferern verlangen die Halbleiterhersteller, dass diese ihre Produkte und Prozesse permanent bis ins kleinste Detail optimieren, weiterentwickeln und sie bis zur Perfektion beherrschen.
Denn gestiegene Leistungsanforderungen haben Auswirkungen auf das Ausgangsmaterial der meisten Chips: polykristallines, hochreines Silicium. Ohne dieses Silicium gäbe es keine Chip-, aber auch keine Photovoltaik-Industrie. Es muss reiner sein als rein – kritische Fremdatome werden in ppt („parts per trillion“= ein Fremdatom auf eine Billion Silicium-Atome) gemessen und spezifiziert. Die Experten sprechen von der sogenannten 12N-Reinheit – also einer Reinheit von 99,9999999999%. Um das anschaulich zu machen: Ein ppt entspricht einer Konzentration von drei Zuckerwürfel in zehn Milliarden Litern Wasser – so viel wie eine Millionen Tanklaster fassen können. Und diese Reinheit muss in jedem einzelnen Beutel, in jeder Lieferung von Polysilicium an unsere Kunden gewährleistet sein.
Wir Menschen können derart geringe Konzentrationen nicht wahrnehmen. WACKER POLYSILICON verfügt jedoch über eine herausragende Analytik, die selbst in diesem extremen Spurenbereich noch verlässliche Aussagen treffen kann – ein echtes Alleinstellungsmerkmal in der Industrie. Und einer von mehreren Faktoren, warum WACKER POLYSILICON als der weltweit führende Spezialist für derart hochreines Silicium gilt.
An den Standorten Burghausen und Nünchritz in Deutschland sowie in Charleston im US-amerikanischen Tennessee betreibt der Konzern Anlagen, um diesen Grundstoff herzustellen. Zu den über 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Geschäftsbereiches der Wacker Chemie AG gehört Michaela Waldhör, die als stellvertretende Schichtführerin in der Polysiliciumreinigung in Burghausen tätig ist. Der hohe Qualitätsanspruch fasziniert sie: „Wir betreiben hier eine aufwändige Infrastruktur, um die Vorgaben der Chipindustrie erfüllen zu können. Die geforderte Qualität bekommen wir nur gemeinsam hin“, erklärt Michaela Waldhör. Rund 60 Kollegen sind derzeit in einer Schicht beschäftigt. Der Betrieb läuft vollkontinuierlich, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.
WACKER verfügt über fast 70 Jahre Erfahrung mit der Herstellung von Polysilicium. Bereits Mitte der 1950er-Jahre hatte der Konzern mit der Herstellung dieses Materials für die aufkommende mikroelektronische Industrie begonnen. In den Anlagen von WACKER POLYSILICON entsteht aus Rohsilicium mit einem Halbmetallgehalt von 98 bis 99 Prozent das hochreine Silicium mit eben jener 12N-Reinheit, wie sie von der Halbleiterindustrie gefordert wird.
Das Rohsilicium für diesen Prozess stammt unter anderem aus einer WACKER-eigenen Produktion im norwegischen Holla und geht anschließend zur Weiterverarbeitung an die Standorte Burghausen, Nünchritz und Charleston. Dort wird es mit gasförmigem Chlorwasserstoff bei 300 bis 350 Grad Celsius in einem Wirbelschichtreaktor zu flüssigem Trichlorsilan umgesetzt. Dieses Trichlorsilan geht dann zur Destillation, um Verunreinigungen zu entfernen. Danach wird das jetzt extrem reine Trichlorsilan im Abscheidereaktor nach dem sogenannten Siemens-Verfahren auf über 1.000 Grad erhitzt und über dünne, U-förmige Silicium-Stäbe geleitet. Dort zerfällt das Trichlorsilan, das Silicium wird auf der Staboberfläche abgeschieden und der dabei entstandene Chlorwasserstoff wieder in den Prozess zurückgeführt. Dieses Prinzip heißt bei WACKER Verbundproduktion.
Allerdings können die Wafer-Hersteller in dieser Form aus dem polykristallinen Material noch nicht die hochreinen monokristallinen Siliciumscheiben herstellen, die als Wafer das Vorprodukt der Chips bilden. Sie benötigen kleinere Siliciumstücke, die leichter aufgeschmolzen und dann zu einem perfekten Kristall gezogen werden können. Deshalb wird das Material gebrochen.
Die Brechwerkzeuge führen allerdings wiederum zu einer (geringen) Kontamination mit Fremdatomen. Und jedes Fremdatom stört die notwendige Reinheit des Einkristalls und verändert dessen physikalische Eigenschaften. Insbesondere Phosphor und Bor müssen möglichst vollständig eliminiert werden. Denn diese Elemente werden später zum Teil für die Chipproduktion in genau definierten Spurenkonzentrationen eingesetzt, um die Leistungseigenschaften der Halbleiterbauelemente gezielt zu verändern. Aber auch Natrium, Eisen, Kohlenstoff und andere Elemente, die in der Natur im Verbund mit Silicium vorkommen oder mit denen das Silicium in der Herstellung in Kontakt kommt, müssen entfernt werden. Sie würden die elektrischen Eigenschaften der Chips empfindlich stören.
Daher muss die Oberfläche des in der Halbleiterindustrie verwendeten Polysiliciums nach dem Brechen noch einmal separat gereinigt werden. Die Perfektion, in der WACKER POLYSILICON diese Prozesse beherrscht, ist eine Kernkompetenz des Geschäftsbereichs und ein wesentlicher Grund für seine starke Marktposition.
Durch ihre Ausbildung zur Chemikantin und Industriemeisterin Chemie bringt Michaela Waldhör hierfür das notwendige Know-how mit. Bei der Polysiliciumreinigung geht es um chemische und verfahrenstechnische Prozesse.
- Im ersten Schritt unterziehen die Mitarbeiter die gebrochenen Siliciumstücke einer vollständigen visuellen Kontrolle. Sortierkriterien sind beispielsweise die Größe der Bruchstücke oder die Qualität der Oberfläche. Material, welches die kritischen Anforderungen nicht erfüllt, wird aussortiert.
- Anschließend fahren die sortierten Polysiliciumstücke in speziellen Schalen über ein Transportsystem automatisch zu Tauchbädern mit einem genau definierten Säuregemisch. Durch einen geringen Ätzabtrag wird die Oberfläche der Siliciumstücke von Fremdatomen gereinigt.
- Im nächsten Schritt der Badsequenz wird die Oberfläche des Polysiliciums für Wasser benetzbar gemacht (hydrophiliert) und danach mit Reinstwasser abgespült.
- Im letzten Schritt wird das Silicium schließlich getrocknet, bevor es unter Reinraumbedingungen zum Verpacken geht.
Dieser gesamte Prozess ist exakt definiert und im Detail bei den Herstellern der Wafer sowie den eigentlichen Chipherstellern qualifiziert. WACKER erweitert gerade in Burghausen seine Reinigungskapazität für Polysilicium. Hierfür findet am 19. Oktober das Richtfest statt. Diese zusätzliche Kapazität muss konsequenterweise dieselben technischen Anforderungen erfüllen wie die bereits bestehenden Anlagen. Zusätzlich wird der Betrieb auch für die in der Zukunft erforderlichen noch höheren Reinheitsgrade gerüstet sein.
Eine WACKER-eigene Innovationsgruppe entwickelte die neuartigen Prozesse, um zu noch höheren Reinheitsgraden zu kommen, und arbeitete dafür mit gezielt ausgewählten Spezialfirmen im Maschinen- und Anlagenbau zusammen. Denn jeder neue Prozess benötigt zwingende innovative Designs bei der Gestaltung und Auslegung der Maschinen und Anlagen. Nur dann können die neuen Prozesse auch „gefahren werden“, wie dies in der Sprache der Maschinenbauer und Verfahrenstechniker heißt.
Auch die Prozesse in der Analytik entwickelt der Geschäftsbereich weiter, da in Zukunft noch höhere Reinheitsgrade bestimmt werden müssen. Für einen zukunftssicheren Gesamtprozess gilt es also, alle Arbeitsschritte zu beachten.
Gegenüber dem jetzigen Stand erhöhen die neuen Anlagen die bestehenden Kapazitäten für gereinigtes Polysilicium in Burghausen um deutlich mehr als 50 Prozent. Der Geschäftsbereich investiert in die neue Reinigungslinie, die Anfang 2025 in Betrieb gehen soll, mehr als 300 Millionen Euro. Das Projekt ist Teil des EU-Programms „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zusammen mit der EU und dem Freistaat Bayern mit einer Förderung in Höhe von 46 Millionen Euro unterstützt.
„Hochreines Polysilicium von WACKER ist ein unverzichtbarer Grundstoff der Weltwirtschaft. Megatrends wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Elektromobilität treiben den Bedarf an diesem Material“, erklärt Dr. Tobias Brandis, Geschäftsbereichsleiter von WACKER POLYSILICON. „Mit unserer neuen Reinigungslinie in Burghausen schaffen wir die Voraussetzungen, um die weiter stark wachsende Nachfrage unserer Halbleiterkunden zu bedienen. Diese Investition ermöglicht es uns außerdem, bei der Qualität unseres Materials einen weiteren Sprung nach vorne zu machen, um auch die neuesten Technologien der Halbleiter¬industrie zu unterstützen.“
Diese Industrie hat für Deutschland und Europa eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung – auch weil Halbleiter für die digitale und grüne Transformation des Wirtschaftsstandorts unabdingbar sind. Die EU hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, 20 Prozent der weltweiten Mikroelektronikproduktion bis zum Jahr 2030 in Europa anzusiedeln. „Wir sind stolz, zu den insgesamt 56 Unternehmen zu gehören, die im IPCEI-Cluster vernetzt sind“, betont Dr. Tobias Brandis. „Als einziger europäischer Hersteller von hochreinem Polysilicium für Halbleiteranwendungen leisten wir mit unserem Etching-Line-Next-Projekt einen wichtigen Betrag, um die Wertschöpfungskette der Chip-Produktion in Europa nachhaltig zu stärken.“
In den Aufbau der neuen Reinigungslinie in Burghausen fließt das gesamte, in Jahrzehnten erworbene Know-how des Geschäftsbereichs: „Verfahrenstechnik, Chemie und Maschinenbau müssen wir selbst beherrschen – für die Reinheit, die von unserem Produkt gefordert wird, gibt es keine Anlage von der Stange, die man kaufen könnte“, betont Armin Sandner, Leiter Halbleiter-Poly bei WACKER.
Und das gilt auch für die Beschäftigten. So ausgereift und automatisiert die Prozesse bei WACKER POLYSILICON sind – die Qualität des Produkts hängt nicht zuletzt am erfahrenen und engagierten Personal. Durch die Erweiterung der Polysiliciumreinigung schafft WACKER in Burghausen mehr als 100 neue und attraktive Arbeitsplätze. Und auch der Standort Charleston profitiert von der Erweiterung. Denn der Ausbau schafft die Möglichkeit, in den USA hergestelltes, hochreines Polysilicium in Deutschland weiter zu veredeln – und trägt damit zu einer weiteren Vernetzung und stärkeren Zusammenarbeit über den Atlantik bei.
Michaela Waldhör, die stellvertretende Schichtführerin aus der Polysiliciumreinigung in Burghausen, beeindruckt und begeistert diese enorme Bedeutung des Halbleitersiliciums immer wieder aufs Neue. „Jede und jeder von uns nutzt täglich unweigerlich Technik, die erst durch unser Silicium möglich wird“, sagt sie.
Auch wenn auf den Endprodukten nicht WACKER draufsteht, so ist doch das Know-how und die Kompetenz des Konzerns nötig, um unser tägliches Leben mit Smartphones, Computern und Internet am Laufen zu halten.