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Wie WACKER und CFP Composites den Brandschutz für Batteriepacks revolutionieren
Gemeinsam mit der Automobilindustrie arbeitet WACKER an innovativen Brandschutzkonzepten für den sicheren Betrieb von Elektroautos. Jüngstes Beispiel: ein neuartiges Verbundmaterial aus Kohlenstofffasern und Siliconharzen für den passiven Brandschutz der Antriebsbatterie. Was der neue Werkstoff leistet, wie er seine Schutzwirkung entfaltet und wo er zum Einsatz kommt, erklären Simon Price, CEO des britischen Startups CFP Composites Ltd., und Dr. Christoph Briehn, Head of Fiber Composites Innovation Hub bei WACKER in Burghausen.
Täuscht die Wahrnehmung oder kommt es bei Elektroautos häufiger als bei Autos mit Verbrennermotor zum Fahrzeugbrand?
Simon Price, CEO des britischen Startups CFP Composites Ltd.
Price: Nein, Fahrzeugbrände kommen bei Elektroautos tatsächlich nicht häufiger vor, was auch durch statistische Daten belegt ist. Da die Technologie noch neu ist und die Medien das Thema Elektromobilität aufmerksam beobachten, wird über solche Brände vermehrt berichtet. Aber: Die Schwere der Brände ist verglichen mit Verbrennerautos höher. Man muss zudem wissen: Verkehrsunfälle oder Zusammenstöße mit anderen Fahrzeugen sind für das thermische Durchgehen von Lithium-Ionen-Akkus nicht zwingend. Zu hohe oder zu niedrige Temperaturen, unsachgemäßes Laden, ein Tiefentladen der Batterie oder Kurzschlüsse im Batteriemanagementsystem können ebenfalls Auslöser sein. Geht ein Lithium-Ionen-Akku thermisch durch – man spricht auch von einem thermal runaway –, entstehen schlagartig Temperaturen zwischen 1.200 bis 2.000 Grad Celsius. Außerdem treten ein heißer, abrasiver Partikelstrom und toxische Gase aus. Es bedarf also technischer Lösungen, die die Entstehung bzw. Ausbreitung eines Batteriebrandes verhindern bzw. eindämmen, um eine sichere Evakuierung der Insassen zu gewährleisten und die Umgebung noch besser zu schützen. Materialien, die den extremen Bedingungen eines Brandes widerstehen und den Bau noch sichererer Batterien ermöglichen, sind daher aktuell sehr gefragt.
Welche Materialien kommen für den passiven Brandschutz einer Lithium-Ionen-Batterie bislang zum Einsatz?
Dr. Christoph Briehn, Head of Fiber Composites Innovation Hub bei WACKER
Briehn: Man unterscheidet hier allgemein zwischen einem Schutz zur thermischen Isolierung der einzelnen Batteriezellen, der Batteriemodule, in denen mehrere Zellen zusammengefasst sind, und des gesamten Batteriepacks, der wiederum die Module enthält. Aufgrund der Geometrie der Komponenten werden für einen gängigen Batterieaufbau bevorzugt hitzebeständige Materialien in Form von Platten oder Matten eingesetzt, die die Temperaturanforderungen auch in dünner Schichtdicke erfüllen. Ein etabliertes System sind beispielsweise Glimmerplatten, die in verschiedenen technischen Anwendungen, aber auch in Alltagsgegenständen wie Haartrocknern oder Mikrowellen zum Zwecke der thermischen und elektrischen Isolation breiten Einsatz finden. Glimmerplatten sind kostengünstig und leicht, lassen sich aber aufgrund ihrer Brüchigkeit nur sehr eingeschränkt dreidimensional formen. Vor allem die Brüchigkeit ist ein Problem, wenn Batterien durchgehen und abrasive Partikel mit großer Wucht auf die spröde Glimmerplatte treffen.
Price: Der Bedarf und das Interesse an leistungsfähigen Materiallösungen, die leicht und dünn genug für die Zwischenräume des Batteriepacks sind, steigen. Es gibt in diesem Temperaturbereich kaum Materialien, die sich überhaupt noch eignen. Deswegen kommt unser neu entwickelter Verbundwerkstoff zur richtigen Zeit. Wir bekommen seit gut zwei Jahren vermehrt Anfragen von Batterieherstellern und aus der Automobilindustrie, weil das thermische Durchgehen von Lithium-Ionen-Akkus aufgrund der steigenden Energiedichten immer relevanter wird und die Batteriesicherheit als eines der aktuell wichtigsten Entwicklungsthemen der Automobilhersteller und -zulieferer gesehen wird.
”Wir konnten ein enorm leistungsfähiges Material entwickeln: Unser neuer FR.10-Verbundwerkstoff besteht aus Kohlenstofffasern und Siliconharzen. Er kann in Schichtdicken von minimal einem Millimeter gefertigt werden und ist mit einem Gewicht von bis zu 1,5 kg/m2 sehr leicht.”
Simon Price, CEO von CFP Composites Ltd.Was zeichnet das neue Produkt aus?
Price: Um diese Frage zu beantworten, muss ich kurz ausholen: Das Batteriepack ist die schwerste Komponente im Auto. Was die Hersteller nicht wollen, ist noch mehr Gewicht durch den Brandschutz. All das schmälert am Ende die Reichweite. Uns stehen für die thermische Isolierung lediglich einige Millimeter zwischen den einzelnen Batteriekomponenten zur Verfügung. Dennoch konnten wir trotz dieses sehr kleinen Gestaltungsspielraumes ein enorm leistungsfähiges Material entwickeln: Unser neuer FR.10-Verbundwerkstoff besteht aus Kohlenstofffasern und Siliconharzen. Er kann in Schichtdicken von minimal einem Millimeter gefertigt werden und ist mit einem Gewicht von bis zu 1,5 kg/m2 sehr leicht. Ein weiterer Vorteil ist, dass unser Produkt unter Hitzeeinwirkung nicht spröde wird und nicht expandiert. Über einen sehr weiten Temperaturbereich sehen wir keine strukturelle Veränderung. Mit unserem Fertigungsprozess können wir zudem nicht nur ebene Platten, sondern auch 3D-Geometrien fertigen, was für den Einsatz in Batterien in vielerlei Hinsicht von Vorteil ist. In internen Tests konnten wir die Brandbeständigkeit der Laminate eindrucksvoll demonstrieren: Eine 2 mm dicke FR.10-Platte brennt bei Beflammen mit einem 1.500 Grad Celsius heißen Brenner über einen Zeitraum von sieben Stunden nicht durch.
Briehn: Besonders erfreulich ist, dass der Verbundwerkstoff kürzlich in einem herausfordernden Brandtest sehr gut abgeschnitten hat. Der Test wurde von UL Solutions, einem führenden und für die Elektromobilität spezialisierten Labor mit Sitz im US-amerikanischen Bundesstaat Illinois durchgeführt. In diesem eigens für die Prüfung der Batteriesicherheit entwickelten Prüfverfahren UL2596 werden die Materialien den hohen Temperaturen und dem heißen Partikelstrom eines thermal runaways ausgesetzt. Das Ergebnis: Unser 2 mm dicker Verbundwerkstoff überstand die Testbedingungen, ohne dass es zu einem Durchbrechen des Laminats kam.
Wie entfaltet das Verbundmaterial seine Brandschutzfähigkeiten?
Price: Wir gehen davon aus, dass die Kohlenstofffasern die Hitze zu den Seiten hin ableiten und so ein schnelles Durchbrennen des Laminats verhindern. Außerdem gibt es Hinweise, dass der Verbundwerkstoff die Hitze reflektiert, zumindest teilweise.
Briehn: Wir nutzen bei dem Verbundwerkstoff in geschickter Weise, was Kohlenstofffasern und Siliconharze von Natur aus können: Kohlenstofffasern sind sehr leicht und mechanisch sehr belastbar. Siliconharze bilden durch die gute Anhaftung an die Fasern einen festen Verbund. Sie bringen zudem aufgrund ihres hohen Siliciumdioxidgehalts nur eine sehr geringe Brandlast mit und keramifizieren bei hohen Temperaturen und im Brandfall zu einer Art feuerfestem Material. Durch diesen keramifizierenden Effekt wird der Brandschutz zusätzlich verstärkt. Das können entsprechende Verbundmaterialien, die ein organisches Bindemittel enthalten, nicht leisten.
Was haben Sie an der Zusammenarbeit besonders geschätzt?
Price: Wir sind eine kleine Firma mit einem cleveren Produkt und einer innovativen Technologie. WACKER hat unser Potenzial schnell erkannt und war sehr engagiert. Die Chemie zwischen unseren Unternehmen hat gleich gestimmt. Das WACKER-Team in Deutschland unterstützt uns bei der Produkt- und Prozessentwicklung und bietet uns anwendungstechnische Unterstützung. Wir sind dankbar, mit WACKER einen starken und weltweit angesehenen Partner mit hoher Expertise an der Seite zu haben. Das gibt unseren Kunden wiederum Sicherheit. Gerade wenn es um neue Technologien geht, ist dieser Aspekt sehr wichtig. Schließlich brauchen die Autohersteller eine verlässliche Lieferkette.
Briehn: Wir möchten unsere Materialien – in diesem Fall unsere Siliconharze – natürlich breit anbieten und schätzen gleichzeitig diese Art von Entwicklungsprojekten. Der gemeinsam mit CFP Composites entwickelte Verbundwerkstoff ist eine Erfolgsstory und ein ideales Referenzprojekt für uns. Es zeigt einmal mehr das Leistungs- und Anwendungsspektrum unserer Silicone als Bindemittel für Faserverbundmaterialien, insbesondere im Zusammenspiel mit Kohlenstofffasern. Für uns ist die Zusammenarbeit mit Startups immer eine gute Gelegenheit in neuen Themen Fuß zu fassen – in diesem Fall beim Thema Brandschutz in Elektroautos. Wir waren uns alle einig: Hier sollten wir unser Knowhow beisteuern, um die nächste Generation an Materialien für die Elektromobilität mitgestalten zu können.
”Siliconharze bringen aufgrund ihres hohen Siliciumdioxidgehalts nur eine sehr geringe Brandlast mit und keramifizieren bei hohen Temperaturen und im Brandfall zu einer Art feuerfestem Material. Durch diesen keramifizierenden Effekt wird der Brandschutz zusätzlich verstärkt. Das können entsprechende Verbundmaterialien, die ein organisches Bindemittel enthalten, nicht leisten.
Dr. Christoph Briehn, Head of Fiber Composites Innovation Hub bei WACKERWann wird der Verbundwerkstoff für Elektroautos zur Verfügung stehen und wo sehen Sie weiteres Anwendungspotenzial?
Price: Einige unserer Projekte mit Batterieherstellern und Automobilzulieferern sind bereits weit fortgeschritten. Ich rechne damit, dass wir unsere Produktion Ende 2023 hochfahren und die ersten Produkte 2024 in Batterien verbaut werden. Neben Indien sind Europa und die USA für uns die wichtigsten Märkte in Sachen Elektromobilität. Natürlich ist das Thema Brandschutz in Elektroautos sehr prominent, aber man muss sich bewusst sein, dass auch andere Bereiche wichtig werden: Züge, Flugzeuge oder Fähren werden künftig vermehrt elektrisch angetrieben. Auch für den Energiespeichermarkt und für Ladestationen für E-Fahrzeuge ist Brandschutz extrem relevant. In solchen Projekten sind wir ebenfalls involviert.
Briehn: Dem stimme ich absolut zu. Das Thema Batteriesicherheit ist nicht nur für den Automobilsektor und den Massentransport relevant. Wir sehen zudem Potenziale im Bereich Bauen, wo neuartige Fassadensysteme von brandgeschützten Laminaten auf Basis von Siliconharzen profitieren können.