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Das Beste beider Welten

Compounds aus Holz und Kunststoffen vereinen die positiven Eigenschaften beider Werkstoffe. Die Firma Pinuform stellt daraus besonders haltbare Terrassendielen her. Um die Verarbeitungsfähigkeit ihrer Mischungen zu erhöhen, setzt Pinuform auf ein neues Prozesshilfsmittel auf Siliconbasis.

Holz und Kunststoff verheiraten Podcast | 06.12.2017 | 5:58 Min

Mit Holz hat die Ulmer Unternehmensgruppe MOCOPINUS seit Generationen Erfahrung, ging sie doch aus einem 1865 gegründeten Holzhandel hervor, der Stammhölzer über die Donau verschiffte. Mittlerweile zählt das Unternehmen mit rund 300 Mitarbeitern zu den führenden Industriehobelwerken in Deutschland und stellt Profilhölzer aus nordischer Fichte her – für Fassadenverschalungen, Wand- und Deckenverkleidungen oder Terrassendielen.

Rund 30.000 Tonnen Hobelabfälle fallen in der Produktion von MOCOPINUS jedes Jahr an. Bis Ende der neunziger Jahre, als in den USA der Markt für Verbundwerkstoffe aus Holz und Kunststoffen stark zu wachsen begann, wurden die Späne vor allem als Einstreu für Tierstallungen weiterverkauft. „Dann kam auch bei uns der Gedanke auf, dass Hobelspäne ein wertvoller Rohstoff sind, der zu schade ist, um ihn nur Tieren unter die Hufe zu schieben“, sagt Diethard Cascorbi.

Wood Plastic Composites sind ein witterungsbeständiger, stabiler, leicht bearbeitbarer und vielseitig einsetzbarer Werkstoff, der die positiven Eigenschaften von Holz mit den Vorteilen von Kunststoff vereint.

Martin Schmid, Director Business Team Plastics + Coatings EMEA & Global Marketing

Terrassendielen von Pinuform: Das Tochterunternehmen der Ulmer MOCOPINUS-Gruppe verarbeitet Hobelabfälle zu Composites-Materialien aus Holz und Kunststoff weiter.

Cascorbi, ein ausgebildeter Kunststoffingenieur, wurde von den Ulmer Holzfachleuten eingestellt, um das neue Geschäftsfeld Wood Plastic Composites weiter aufzubauen. Wood Plastic Composites (WPC) bestehen zum Großteil aus Holzfasern, hinzu kommen bis zu 35 Prozent eines organischen Kunststoffs – in Europa meist Polyethylen oder Polypropylen – sowie Füllstoffe und Additive, damit sich die Holzfasern optimal mit der Polymermatrix verbinden. Die Hersteller sind an einem möglichst hohen Holzanteil interessiert, da die aus Erdöl hergestellten Polyolefine naturgemäß deutlich teurer sind als die Holzfasern. Die Mischung bringt der Verarbeiter dann im Extrusionsverfahren (Strangpressen) in die gewünschte Form.

Für den neuen Geschäftsbereich wurde die Tochterfirma Pinuform gegründet, die 2005 die ersten Terrassendielen aus ihrem holzbasierten Verbundwerkstoff auf den Markt brachte. Weil das Geschäft erfolgreich anlief, baute Pinuform 2011 in Naunhof bei Leipzig weitere Produktionslinien auf.

Markt wächst stark

Wood Plastic Composites lassen sich vielseitigst einsetzen – zum Spektrum der denkbaren Produkte gehören neben Terrassendielen auch Fassadenverkleidungen und Zäune, Fenster und Türen, Möbel, Autoinnenraumteile oder technische Bauteile. Seit einigen Jahren boomt der Markt für diese Composite-Werkstoffe und wächst jährlich mit einer Steigerungsrate von etwa 20 Prozent. In China, neben den USA der weltgrößte WPC-Produzent, sind es sogar 25 Prozent – der stärkste Wachstumsmarkt.

Wood Plastic Composites sind ein witterungsbeständiger, stabiler, leicht bearbeitbarer und vielseitig einsetzbarer Werkstoff, der die positiven Eigenschaften von Holz mit den Vorteilen von Kunststoff vereint“, erklärt Martin Schmid, Director Business Team Plastics + Coatings EMEA & Global Marketing.

Die Mischung und Herstellung dieses Werkstoffes haben die Pinuform-Fachleute seit den ersten Versuchen Anfang der 2000er-Jahre mittlerweile gut im Griff: Die Holzspäne werden in einer Mühle zu Holzmehl mit einem Durchmesser von maximal 630 Mikrometern vermahlen – der Holzanteil in den WPCGranulaten von Pinuform beträgt bis zu 70 Prozent – und dann mit dem Kunststoff, Additiven und Füllstoffen zu einer homogenen Masse compoundiert.

Nun wäre es möglich, das noch heiße Compound sofort im Extrusionsverfahren zu den gewünschten Voll- oder Hohlprofilen weiterzuverarbeiten. Pinuform setzt aber auf einen zweistufigen Prozess: Die Mischung wird unter Wasser granuliert, wobei Granulatkörner entstehen. Der Grund: Pinuform verkauft Granulate auch an andere Unternehmen weiter, darunter auch Wettbewerber. Ein Teil des Granulats wird anschließend in Naunhof wieder aufgeschmolzen und per Extrusion zu dem gewünschten Endprodukt – in diesem Fall Terrassendielen – weiterverarbeitet.

Reibungsverluste minimieren

„Eine große Herausforderung im Herstellungsprozess ist, dass sich alle Komponenten gut miteinander vermischen und im Formgebungsverfahren ein möglichst geringer Widerstand auftritt“, berichtet Dr. Peter Randel aus dem Bereich Neue Geschäftsfelder in der Konzernforschung von WACKER. Üblicherweise werden zwei bis sechs Prozent eines Gleitmittels, meist Stearate oder PE-Wachse, hinzugegeben, um die Reibungsverluste zu minimieren. WACKER hat mit GENIOPLAST®-Additiven auf Basis eines Siliconelastomers jetzt ein neues Prozesshilfsmittel entwickelt, von dem die WPC-Verarbeiter deutlich weniger einsetzen müssen. Von dem Silicon-Copolymer benötigen die Produzenten lediglich einen geringen Anteil der reinen Komponente.

Der Grund: Das WACKER-Silicon, das gemeinsam mit dem Holzkompetenzzentrum in Linz entwickelt wurde, ist zehnmal aktiver als ein Standardgleitmittel. Deshalb bietet WACKER den WPC-Verarbeitern einen sogenannten Masterbatch an: Hierbei ist die Wirkstoffkomponente bereits mit dem entsprechenden Kunststoff gemischt (erhältlich sind derzeit Formulierungen mit Polypropylen und Polyethylen) und als Granulat unter der Marke GENIOPLAST® auf dem Markt verfügbar. Der Masterbatch besteht zu einem Fünftel aus dem WACKER-Copolymer und zu vier Fünfteln aus dem entsprechenden Kunststoff.

Von dem Masterbatch müssen die WPCHersteller lediglich ein Prozent zudosieren, um die gewünschte Wirkung zu erhalten. Dank dieser vorformulierten Fertigmischung lässt sich das Prozesshilfsmittel optimal in den Verarbeitungsprozess der Wood Plastic Composites integrieren und unkompliziert dazumischen. „Während des Extrusionsvorgangs sorgen GENIOPLAST®-Additive für eine bessere Gleitung des WPC-Werkstoffs im Extruder, sodass die Reibung mit der Außenwand verringert wird“, erklärt WACKER-Chemiker Dr. Peter Randel, der die Anwendung dieser Siliconadditive in der Konzernforschung entwickelt hat.

Schneller extrudieren

Deniz-Neslihan Kacar aus dem Forschungsbereich Silicon-Copolymere des Konzerns bestimmt im Labor die Zugfestigkeit eines WPC-Prüfkörpers.

Gleichzeitig gleiten auch die Holzpartikel leichter aneinander vorbei, denn die Copolymere von WACKER bestehen aus einer polaren Harnstoff-Einheit, die sich per Wasserstoffbrückenbindung an die Holzteilchen heftet. Die unpolare Siliconkette ragt nach außen und die so funktionalisierten Holzpartikel gleiten besser aneinander vorbei. Dadurch verringert sich der Reibungskoeffizient – und das reduziert wiederum den Energieaufwand des gesamten Verfahrens. Mehr noch: „Die Extrusionsgeschwindigkeit steigt – und damit der Durchsatz, auch wenn wir dies naturgemäß nicht genau quantifizieren können“, sagt Bereichsleiter Diethard Cascorbi von Pinuform.

GENIOPLAST® optimiert zudem die Dispergiereigenschaften von Holz und anderen Naturfasern in den entsprechenden Polymeren. Und auch die Kompatibilität zwischen den polaren Naturfaseroberflächen in einer unpolaren Kunststoffmatrix wird verbessert. „Das Material wird homogener, es durchmischt besser“, bestätigt der Kunststoffingenieur Cascorbi.

Die positiven Eigenschaften des WPC-Werkstoffs werden durch GENIOPLAST®-Additive hingegen nicht negativ beeinflusst – im Gegensatz zu konventionellen Gleitmitteln, die sich beispielsweise oftmals negativ auf die technischen Eigenschaften wie Elastizitätsmodul, Biegefestigkeit, Schlagzähigkeit und Wasseraufnahme auswirken. „Mit dem neuen Masterbatch auf Basis thermoplastischer Siliconelastomere hat WACKER ein innovatives Prozesshilfsmittel entwickelt, mit dem sich die Produktion von Wood Plastic Composites insgesamt kostengünstiger gestalten lässt“, ist Dr. Randel aus der WACKER-Forschung überzeugt.

Geringe Wasseraufnahme

Blick in die Fertigungshalle von Pinuform: Auch Hohlprofile lassen sich aus Holz-Plastik-Verbundwerkstoffen fertigen.

WPC-Produkte, die mit dem Copolymer von WACKER verarbeitet wurden, besitzen zudem eine geringere Wasseraufnahme, sodass sich der Werkstoff in Gegenwart von Feuchtigkeit weniger stark ausdehnt und verzieht. Diethard Cascorbi lässt die in Naunhof hergestellten WPCProfile regelmäßig versuchsweise in Kochtöpfen lagern – nach fünf Stunden in kochendem Wasser beträgt die Gewichtszunahme weniger als zwei Prozent.

Auch wegen der geringen Wasseraufnahme sind Terrassendielen aus WPC deutlich haltbarer als solche aus Douglasie oder Lärche. Pinuform beispielsweise gibt zehn Jahre Garantie auf seine Holz-Kunststoff-Dielen – davon ausgenommen ist lediglich die Farbechtheit, da sich das im Holz enthaltene Lignin unter UV-Licht abbaut. Dieser Effekt – Ausbleichung unter Sonnenlicht – kann aber durchaus erwünscht sein, weil er die Optik von WPC noch stärker der von Vollholz angleicht.

„Mit WPCs kann die Holz verarbeitende Industrie einen weiteren Geschäftszweig eröffnen und so ihre Wertschöpfungskette verlängern“, erklärt Diethard Cascorbi. Aufgrund seiner hohen Witterungsbeständigkeit, leichten Färbbarkeit und Designflexibilität bietet das Material insbesondere für die Möbel-, Bau- und Fahrzeugindustrie eine interessante Alternative zu reinen Kunststoffen, denn: Elemente aus Wood Plastic Composites weisen eine erhöhte Steifigkeit und Zugfestigkeit auf. Des Weiteren überzeugen sie durch eine geringe thermische Ausdehnung, gute Dämpfungseigenschaften und geringe Schwindung.

Auch Hohlprofile möglich

GENIOPLAST®

Unter dieser Marke bietet WACKER siliconbasierte Additive an, die in der Kunststoffindustrie bei der Compoundierung von thermoplastischen Kunststoffen eingesetzt werden. Sie liegen in praktischer Pelletform vor und können dadurch besonders einfach in allen gängigen Produktionsprozessen eingesetzt werden. Als Prozesshilfsmittel verhindern sie die Bartbildung am Extruder, ermöglichen eine Reduktion des Düsendrucks und des Drehmoments und verbessern den Schmelzfluss. Als Additive steigern sie die Abriebbeständigkeit, reduzieren den Reibungskoeffizienten und verbessern die Haptik des Compounds. Für Wood-Plastic-Composite-Materialien hat WACKER auf Basis von GENIOPLAST® ein eigenes Prozesshilfsmittel entwickelt.

Außer im Extrusionsverfahren können Verbundwerkstoffe aus Holz und Kunststoff auch im Spritzguss- und Formgebungsverfahren verarbeitet werden. Diethard Cascorbi nimmt zu Kundenbesuchen immer einen Koffer voller WPC-Formteile mit, zu denen Pflanztröge ebenso gehören wie Schalungen, Gehäuse für Batterien, WPC-Folien oder WPC-Platten . Die Möglichkeit, neben Voll- auch Hohlprofile zu erzeugen, bietet zudem für Leichtbauanwendungen interessante Alternativen.

Ein weiterer Vorteil: Der Holzanteil in den Wood Plastic Composites ist je nach regionalen Gegebenheiten und den Ansprüchen an die Materialeigenschaften flexibel wählbar: Während in Europa und den USA vor allem Weichholz in die WPC-Produktion fließt, wird in Asien mehr Hartholz genutzt – neben anderen biobasierten Füllstoffen wie Reisschalen. „Das macht den Werkstoff zu einem nachhaltigeren Produkt, mit dem Industriekunden ihre Kohlenstoffbilanz künftig verbessern können“, betont Martin Schmid.

Denn im Gegensatz zu anderen Baustoffen wie Beton bindet Holz während des Wachstums Kohlendioxid, anstatt bei der Herstellung das Treibhausgas auszustoßen.

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