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High-Throughput-Screening-System

Bis vor Kurzem wurden die zahlreichen Stämme des Expressionssystems ESETEC® noch von Hand generiert und kultiviert: Jetzt übernehmen mehrere Roboter die Zelllinienherstellung und das Screening im Mikro- und Milliliter-Maßstab.

Mit Highspeed zum Top-Stamm

Wacker Biotech verfügt über eine Reihe von Stämmen des E. coli-Bakteriums, die im Kundenauftrag Biopharmazeutika produzieren. Doch welche Zelllinie passt zu welchem gewünschten Wirkstoff? Bei der oft schwierigen Auswahl hilft jetzt ein Screening-System.

„Zusammen mit den notwendigen Kontrollen untersuchen wir etwa 1.000 Zelllinien gleichzeitig. Ohne Automatisierung wäre das unmöglich.“

Dr. Philipp Schmid, Senior Scientist Process Development, Wacker Biotech

Dr. Aurelia Stangl ist im Bereich Biotechnologie des Consortiums, der WACKER Konzernforschung, tätig und prüft mit ihrem Team im initialen Screening sechs ESETEC®-Basisstämme, von denen jeder mit 50 verschiedenen Expressionsplasmiden kombiniert ist.

Biopharmazeutika werden in lebenden Zellen produziert – zum Beispiel im weit verbreiteten Bakterium E. coli. In der Natur kommt dieses Kolibakterium im Darmtrakt zahlreicher warmblütiger Tiere vor, auch des Menschen. Doch E. coli ist nicht gleich E. coli. Es gibt viele verschiedene Stämme und in Kombination mit unterschiedlichen Expressionsplasmiden, die für die Produktion notwendig sind, ergibt sich eine Vielzahl möglicher Zelllinien. Auch eignet sich nicht jede Zelllinie für jedes Biopharmazeutikum. Deshalb steht am Anfang jeder Produktion immer die Frage: Welche Zelllinie passt zu welchem Wirkstoff?

Wacker Biotech, ein Tochterunternehmen des WACKER-Konzerns, setzt als Auftragshersteller für Biopharmazeutika unter anderem ein spezielles Expressions- und Sekretionssystem zur Herstellung von proteinbasierten Wirkstoffen ein. ESETEC® heißt das System, das auf Basis eines E. coli-K12-Bakterienstamms und einer Serie von hocheffizienten Expressionsplasmiden entwickelt und patentiert wurde. Aufgrund der kontinuierlichen Optimierung von ESETEC® steht mittlerweile eine beachtliche Toolbox, bestehend aus verschiedenen ESETEC®-Basisstämmen und entsprechenden Expressionsplasmiden, zur Verfügung. „Die beste Zelllinie zu identifizieren, die dann auch den Wirkstoff in der gewünschten Qualität und Quantität produziert, ist ein wenig wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, sagt Dr. Marcel Thön, der bei Wacker Biotech für die Zelllinienentwicklung zuständig ist.

Bei der Auswahl hilft den Mitarbeitern in der Zelllinienentwicklung bislang ihre Erfahrung. Je nach Zielprotein werden bestimme ESETEC®-Basisstämme und Expressionsplasmide ausgeschlossen, während andere in die Testung gehen. Im Schüttelkolben werden dann etwa zehn bis 20 Kombinationen aus ESETEC®- Basisstamm und Expressionsplasmid im Milliliter- Maßstab getestet.

300 Zelllinien werden in der Regel dreimal gescreent, bevor feststeht, welche Kombination für die Produktion eines bestimmten Pharmaproteins am besten geeignet ist.

Alle eingesetzten Robotersysteme sind maßgeschneiderte Unikate, bei denen manche Komponenten eigens für das HTS angefertigt wurden.

Um den Auswahlprozess zu verbessern, wurde am WACKER Consortium, der zentralen Konzernforschung von WACKER, ein mehrstufiges System entwickelt, das automatisiert die passende Zelllinie auswählen soll: das High-Throughput-Screening-System – kurz HTS.

„Ende 2019 haben wir mit der Entwicklung des HTS begonnen. Nun steht es bei Wacker Biotech für Kundenaufträge zur Verfügung“, sagt Dr. Philipp Schmid, der am Consortium gemeinsam mit einem interdisziplinären Team das System aufgebaut hat. Aus der zentralen Konzernforschung waren Fachgruppen aus der Biotechnologie, der Fermentation und der Analytik beteiligt sowie Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Advanced Analytics am WACKER Standort in Burghausen. Wacker Biotech hat die Perspektive der späteren Kunden in das Projekt mit einfließen lassen.

Zunächst generiert das System bis zu 300 verschiedene Zelllinien. Dabei werden jeweils sechs ESETEC®-Basisstämme mit 50 verschiedenen Expressionsplasmiden kombiniert. „Jede der aus unterschiedlichen ESETEC®-Basisstämmen hergestellten Zelllinien enthält zusätzlich noch ein Expressionsplasmid, auf dem das Zielprotein des Kunden codiert ist. Da jedes Plasmid wiederum verschiedene genetische Eigenschaften aufweist, ergibt sich eine Vielzahl an verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten“, erklärt Schmid.

K12 heißt der E. coli-Bakterienstamm, auf dessen Basis das Expressionssystem ESETEC® entwickelt wurde.

Automatisierte Analyse

Um den Durchsatz leisten zu können, mussten ebenfalls neue Lösungen gefunden werden. So wurde der Platzbedarf bei der Vorbereitung der Zelllinie auf ein Zwölftel reduziert.

Im ersten Schritt wird geprüft, wie produktiv jede der 300 Kombinationen ist. Zur besseren Vergleichbarkeit wird dieser Test für jede Kombination drei Mal wiederholt. „Zusammen mit notwendigen Kontrollen untersuchen wir etwa 1.000 Zelllinien gleichzeitig. Ohne Automatisierung wäre das unmöglich. Es würde viel zu lange dauern“, so Schmid weiter. Statt die Stämme wie bisher per Hand zu generieren und zu kultivieren, werden die Zelllinienherstellung und das erste initiale Screening im Sub-Milliliter-Maßstab automatisiert von einem Roboter durchgeführt. Die Analyse der Produktivität erfolgt ebenfalls automatisiert mit einem eigens etablierten Analyseverfahren, der sogenannten RapidFire®-Massenspektrometrie, die nur wenige Sekunden Messzeit pro Probe benötigt.

Nach dem initialen Screening wird im zweiten Schritt in Mini-Bioreaktoren die spätere Fermentationsumgebung mit den acht bis 16 vielversprechendsten Produzenten nachgestellt. Dabei werden die Versorgung mit Sauerstoff, der pH-Wert, die Temperatur und die Nährstoffzufuhr exakt kontrolliert. Hier wird evaluiert, welche der selektierten Zelllinien die besten Produktionseigenschaften unter kontrollierten Kultivierungsbedingungen besitzen. Auch dieser Schritt läuft automatisiert im Milliliter-Maßstab ab.

„Den Proof of Concept haben wir erbracht. Jetzt können unsere Kunden von dem System profitieren.“

Dr. Marcel Thön, Senior Expert, Bioprocess Development, Wacker Biotech

Letzter Schritt im Labor

Sobald das Robotersystem mit allen Verbrauchsmaterialien bestückt ist, ist nur noch an definierten Stellen ein manuelles Eingreifen notwendig. Das schafft durch die Entlastung Kapazitäten für Innovation.

Hat das System wiederum die besten Produzenten identifiziert, geht es in einem letzten Schritt in die klassische Laborfermentation. Im Fünf-Liter-Maßstab wird die Produktivität der verbleibenden vier bis acht aussichtsreichsten Kandidaten nochmals überprüft. Am Ende steht ein Sieger, der das beste Ergebnis in Sachen Qualität und Quantität liefert.

Auch in der Praxis hat das System bereits gezeigt, was es kann. „In mehreren Testreihen haben wir gezeigt, dass die automatisierte Identifikation des besten Produzenten auch wirklich funktioniert“, berichtet Schmid. So konnten beispielsweise Zelllinien mit verbesserten Produktionseigenschaften für ein Antikörperfragment, das bei WACKER seit Jahren als Modellprotein für Forschungszwecke genutzt wird, identifiziert werden (siehe Abbildung).

Auch für ein Protein, das Wacker Biotech bereits seit einigen Jahren für einen Kunden herstellt, konnten neue Zelllinien mit besserer Produktionsleistung, dass heißt einem um circa 40 Prozent höheren Produkttiter, identifiziert werden.

„Der Proof of Concept wurde erbracht. Jetzt können unsere Kunden von dem System profitieren. Für sie bedeutet das HTS: Die Chance, die tatsächlich beste Kombination aus ESETEC®-Basisstamm und Expressionsplasmid für das jeweilige Zielprotein zu identifizieren, wird aufgrund des hohen Durchsatzes deutlich erhöht. Außerdem geht weniger Zeit auf der Suche nach dem High-Performer verloren“, sagt Marcel Thön.

Das High-Throughput-Screening-System wird kontinuierlich weiterentwickelt, zum Beispiel durch die Integration neuer ESETEC®- Basisstämme und Expressionsplasmide. Geplant ist außerdem, das System auch beim Screening von E. coli-FOLDTEC®-Zelllinien einzusetzen. Bei FOLDTEC® handelt es sich um eine von WACKER patentierte Technologie zur Rückfaltung von Proteinen.

Ergebnisse für einen HTS-Lauf mit einem Antikörperfragment als Zielprotein

1.

Zunächst wurden alle automatisch generierten Zelllinien im Sub-Milliliter-Maßstab kultiviert und deren Produktivität mithilfe der RapidFire®-Massenspektrometrie analysiert.

2.

Die besten acht Kandidaten wurden für eine kontrollierte Kultivierung im Mini-Bioreaktor selektiert, bevor die verbliebenen, besten Kandidaten in der Laborfermentation auf deren Produktivität final untersucht wurden.

3.

Sowohl für die kontrollierte Kultivierung im Mini-Bioreaktor als auch in der finalen Laborfermentation zeigten die selektierten ESETEC®-Zelllinien #2 und #4 eine bessere Produktivität als die Kontrollzelllinie, die über Jahre mit einem wissensbasierten Ansatz optimiert wurde.

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