Desserts wie Skulpturen
01.10.2019 Lesezeit: ca. MinutenMinute
Weil das Auge mitisst
Mit einfallsreich geformten Desserts, die wie Skulpturen wirken, hat sich der belgische Konditor Carlos Deleye in die Riege der Top-Lieferanten für die Gourmetgastronomie vorgearbeitet. Möglich macht dies ein Siliconkautschuk von WACKER, der für die Produktion von Lebensmitteln zugelassen ist.
Der hohe silberne Edelstahltopf mit frisch angerührter Pannacotta-Creme steht bereit. Wie auch die Kuchenform aus Silicon mit zwölf Vertiefungen. Schwungvoll geht der Mitarbeiter im weißen Konditor-Outfit an seine Arbeit: Einmal, zweimal, dreimal senkt er die große Suppenkelle tief in die zähflüssige Masse und gießt ihren süßen Inhalt direkt vor sich auf die flache Schablone. Die rechte Hand rüttelt die Form und die leicht gelbe Creme verteilt sich automatisch in die runden Vertiefungen. Die linke Hand hält eine lange Glasurpalette und hilft mit fließenden Streichbewegungen nach. In weniger als einer halben Minute ist die Köstlichkeit in die vorgefertigten Ritzen verteilt. Zum Abschluss wird noch ein paar Mal kräftig gerüttelt, um Luftbläschen platzen zu lassen und noch die letzten freien Zwischenräume zu füllen, dann fegt schon der Spachtel, geführt von geübter Hand, die Reste von der Form. Fertig.
Die zwölf gleich großen, weißen Kreise heben sich nun dekorativ von der terracotta-farbenen Kuchenform ab und kommen im nächsten Arbeitsschritt in den Kühlschrank. „Die Pannacotta-Ringe werden bei minus 35 bis 40 Grad tiefgefroren“, erklärt der Chef und Gründer der Firma, Carlos Deleye. Der hochgewachsene Belgier mit den kurzen Locken und den blitzblauen Augen beschäftigt rund 40 Mitarbeiter am wallonischen Standort Mouscron, nahe der belgisch-französischen Landesgrenze und nur rund 20 Kilometer von der nordfranzösischen Stadt Lille entfernt. In der mit 6.000 Quadratmetern recht stattlichen Fabrik entstehen Desserts wie auch Amuse-Gueules, also Vorspeisenhäppchen. Rund 120 verschiedene Tiefkühlprodukte hat die Firma Deleye im Angebot, die sie via Grossisten an zahlreiche Restaurants und Cateringfirmen in ganz Europa sowie seit Kurzem sogar bis nach Australien und Kanada verkauft. Zu den Kunden zählen selbst ein paar Sterneköche, die natürlich ungenannt bleiben wollen.
„Man darf sich nichts vormachen: Fast jede Patisserie, außer den Obstkuchen, kommt heute in der modernen Gastronomie aus dem Kühlschrank. Sogar bei den ganz berühmten Häusern.“
Carlos Deleye, Konditor
Neustart mit Tiefkühlware
Das kleine Dessert-Imperium, das stetig weiterwächst, hat der gelernte Konditor ganz allein aufgebaut. Carlos Deleye: „Zuerst hatte ich nur eine kleine Bäckerei, in der ich neben Brot auch Kuchen anbot. Diese habe ich an die Restaurants am Platz geliefert – auch an Sonn- und an Feiertagen. Meist kamen sie noch vor Ladenöffnung.“ Es läuft gut, aber es ist auch sehr stressig: Deleye arbeitet die Wochenenden durch und hat Probleme, gute Mitarbeiter zu finden. Nach drei erfolgreichen Jahren wagt er 1993 mit Tiefkühlprodukten einen Neustart – mit zwei Angestellten und auf 200 Quadratmetern in einer ehemaligen Textilfabrik. „Das Sortiment bestand damals aus 13 gerollten Kuchen. Später kamen kleine Desserttörtchen dazu. Beides tiefgefroren. Das war damals etwas ganz Neues.“
Mit diesem Angebot schafft es der Firmengründer, sein Start-up rentabel werden zu lassen. Doch der findige Patissier will weiter wachsen und sucht nach neuen Ideen. „Ich wollte meinen Kuchen neue Formen geben. Denn wir essen auch mit den Augen. Es geht nicht nur darum, dass etwas gut schmeckt, es muss auch gut aussehen.“
Carlos Deleye träumt von 3D-Formen, zum Beispiel Kugeln, um traditionelle Kuchen ganz neu zu dekorieren. Doch wie kann er diese produzieren? Anfang benutzt er Thermoplastikformen. „Aber es war schwierig, die Kuchen aus der Form zu holen. Man musste die Törtchen mit Plastikfolie umwickeln und sie an der Folie vorsichtig aus der Umhüllung ziehen. Außerdem war das Plastik sehr steif und oft brach es bei der Kühlung.“
„Ich wollte meinen Kuchen neue Formen geben. Denn wir essen auch mit den Augen.“
Carlos Deleye, Konditor
Vier Mischungen ausprobiert
Das Problem diskutiert er mit seinem Freund Roger van Damme, einem bekannten belgischen Sternekoch. Der bringt Carlos Deleye auf die Idee, es einmal mit Silicon zu probieren. „Ich hatte sehr wenig Ahnung von diesem Material, wusste aber, dass es bei Lebensmitteln eingesetzt werden kann.“
Eine Online-Recherche bringt den Belgier zu Tony Roex von der Firma MCtechnics, einem Händler von Rohstoffen für die Verbundstoffindustrie, darunter auch Silicone. Ein Anruf genügt, um bei Roex das Interesse zu wecken. Der Siliconexperte reist sofort nach Mouscron und bringt im Gepäck verschiedene WACKER-Komponenten mit. Tony Roex: „Wir probierten vier Siliconmischungen aus. Verrührt haben wir die Komponenten mit dem Sahnemixer. Eine Vakuumpumpe hatte ich vorsorglich mitgebracht.“
Bis der perfekte Siliconkautschuk gefunden ist, dauert es ganze eineinhalb Jahre. „Viele Versuche misslangen oder waren nicht zufriedenstellend. Erst war er zu elastisch, dann zu robust.“ Am Ende erweist sich ELASTOSIL® M 4601 als das ideale Rezept für den Einsatz in der Dessertproduktion, ein zweikomponentiger, bei Raumtemperatur vernetzender Siliconkautschuk, dessen A- und B-Komponenten in einem Verhältnis von 9 : 1 gemischt werden.
Die Dessert- und Backformen fertigt Carlos Deleye in seiner Fabrik selbst, und zwar anhand eines Prototyps aus Thermoplastik, den er am 3D-Drucker fertigt und dessen Abdruck er danach als Negativkopie ins Silicon überträgt. Rund 600 Kilogramm des elastischen Materials verbraucht die Firma pro Jahr. Schon länger denkt der Firmenchef darüber nach, die manuellen Prozesse durch die Installation diverser Maschinen zu reduzieren.
Zwar scheut er noch die Investition, jedoch plant er parallel auch, seinen Formenreichtum in den kommenden Jahren noch weiter auszubauen. „Als ich 2014 mit dem Silicon anfing, war ich ein Pionier. Doch schon drei Jahre später waren Instagram und Pinterest voll mit Bildern dieser Desserts. Um meine Vorreiterrolle zu verteidigen, muss ich mir ständig etwas Neues einfallen lassen.“ Er denke täglich über neue Gestaltungen nach, zum Beispiel Entrées in der Gestalt von Spargel oder Champignons oder Desserts in Form von Schlüsseln. Viele Ideen findet der zweifache Vater in Spielzeugläden oder einfach in der Natur. Zum Beweis holt der Firmenchef Plastik- und Holzspielzeuggemüse für einen kindlichen Krämerladen aus seinem Büro und dreht fast schon verliebt einen großen, kantigen Stein in seiner mächtigen Hand. „Den habe ich beim Spazierengehen gefunden und daraus einen Siliconabguss gemacht. Es war ein Versuch, aber ich bin mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden.“ Sein Perfektionismus sichert ihm auch sein Fortbestehen: „Viele Restaurants haben versucht, unsere Formen selbst herzustellen. Aber weil sie nicht die gleiche Qualität schafften wie wir, sind sie bei uns Kunde geblieben.“
Im Augenblick sind acht verschiedene Modelle in Gebrauch, mit denen 40 verschiedene Vor- und Nachspeisen in Form gebracht werden. Noch überwiegen klassische 3D-Figuren wie Kugeln in verschiedenen Größen, Nockerl oder Ringe. „Mit einer einzigen Siliconform kann man rund 100.000 Dessertkugeln herstellen. Die Nutzungsdauer der Formen ist äußerst lang, wenn man pfleglich damit umgeht“, erklärt der Firmenchef zufrieden. Vor allem beim Auslösen der gefrorenen Süßigkeiten sei Vorsicht geboten. Die Kugeln werden durch zarten Druck aus ihrer Siliconhülle im wahrsten Sinne des Wortes herausgeschleudert, die Ringe vorsichtig durch gekonntes Biegen der elastischen Form an den Ecken und in der Mitte freigelegt und dann per Hand in den Verpackungskarton gestapelt. Eine gewisse Übung sei zwar vonnöten, aber „die haben meine Mitarbeiter“, versichert Deleye stolz.
„Silicon ist unproblematisch bei der Kühlung, leicht zu reinigen und somit schneller wieder neu zu befüllen.“
Carlos Deleye, Konditor
Wachstumsschub mit Silicon
Auch sonst ist der 52-jährige Flame rundherum zufrieden mit seiner Materialwahl, die ihm nach eigenen Aussagen zu einem echten Wachstumsschub verholfen wie auch einige Innovationspreise eingebracht hat: „Silicon ist unproblematisch bei der Kühlung, leicht zu reinigen und somit schneller wieder neu zu befüllen. Sogar der Anschaffungs- und Herstellungspreis liegt erheblich unter dem anderer Backformen.“ Dazu kommt, dass einige Typen für den Kontakt mit Lebensmitteln verwendet werden können, da sie den entsprechenden Regularien der US Food and Drug Administration (FDA) und des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) entsprechen. Aber gibt es denn wirklich keinerlei Nachteile? „Bei Rissen muss man aufpassen. Dann können die Desserts sprichwörtlich auslaufen.“
Trotz des recht industriellen Ambiente in den Produktionshallen in Mouscron werden alle Desserts noch ganz traditionell handgefertigt. Die Rezepte entwickelt der Firmenchef selbst, die Umsetzung überwachen seine sechs angestellten Patissiers. Auch die Zutaten sind nur vom Feinsten. „Wir benutzen zum Beispiel ausschließlich belgische Schokolade von Callebaut. Das ist die beste Schokolade überhaupt. Der Mascarpone kommt direkt aus Italien, Obst, Gemüse und Kräuter sind ganz frisch. Was anderes kann man sich heute auch gar nicht mehr erlauben.“ Zu den Bestsellern des Sortiments zählen Kugeln im Durchmesser von 1 und 2,5 Zentimetern mit den Namen „Elements“ in den Geschmacksrichtungen Karamell, Mango-Passionsfrucht, Yuzu oder Basilikum und ovale Klößchenformen, sogenannte Quenelles, von rund 5 Zentimeter Länge aus verschiedenen Schokoladensorten und Früchten. Sehr gut angenommen werden auch die kleinen Aromakugeln „Amelioras“, gefertigt mit Kräutern und Blumen, wie Hibiskus, Kurkuma, Basilikum oder Zitronengras, die sich für Vorspeisen und Salate eignen. Carlos Deleye: „Das sind alles Produkte, die man früher gar nicht herstellen konnte, die meine Firma auf Top-Niveau hoben und mit denen wir Preise gewannen. Meiner Meinung nach ist die Nutzung des Silicons in der Gastronomie die Zukunft.
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Frau Andrea Bogner
Senior Marketing Manager
Industrial Solutions WACKER SILICONES
+49 89 6279-1375
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