Stuckaturen wie aus Meisterhand

15.03.2023 Lesezeit: ca. MinutenMinute

Filigrane Formen

Ganz gleich, ob es um neue Stuckrosetten für Deckenleuchten oder um die Restaurierung aufwändiger historischer Ornamente geht – das finnische Unternehmen Kipsilista überzeugt bei all diesen Herausforderungen mit Stuckaturen aus Meisterhand. Das Erfolgsrezept der finnischen Handwerker besteht aus drei elementaren Zutaten: qualitativ hochwertigem Gips, frischem, kaltem Wasser – und einem gießbaren Siliconkautschuk von WACKER, mit dem sich auch kleinste Details wiedergeben lassen.

Auf den ersten Blick mag dieses „Rezept“ recht einfach klingen. Das Verfahren, mit dem sich Rohgips zu wahren architektonischen Kunstwerken formen lässt, ist jedoch alles andere als simpel. Welche beeindruckenden Ergebnisse diese handwerkliche Meisterleistung hervorbringt, bezeugen einige der bedeutendsten Wahrzeichen Finnlands. So zieren die Stuckarbeiten von Kipsilista in Helsinki die Wände und Decken des 1887 erbauten historischen Grand Hotels Kämp sowie die Wohnungen der ehrwürdigen, aus der Belle Époque stammenden Grand Residence 21, eines 1888–89 von dem schwedischen Malermeister und Industriellen Per Erik Färlander entworfenen und errichteten Prachtbaus. Stuckelemente von Kipsilista finden sich zudem in modernen, zeitgenössischen Leuchtturmprojekten in Finnland, so zum Beispiel in der Unternehmenszentrale von Toyota Racing in Puuppola und im Einkaufszentrum Veljekset Keskinen in Tuuri, der größten Shopping Mall des Landes.

Die Arbeiten von Kipsilista sind bis ins Kleinste durchdacht. „Besonders bei historischen Projekten kommt es natürlich auf Detailtreue an“, erläutert Dr. Thomas Gröer, Leiter Technisches Marketing, Industrial Solutions, bei WACKER SILICONES. „Neu gefertigte Formen müssen eine exakte Kopie des Originals abbilden.“ Deshalb muss je nach erforderlicher Verarbeitungszeit das richtige Silicon zur Abformung verwendet werden. „Die Materialmischung ergibt eine qualitativ hochwertige Form, die feuerfest, feuchtefrei und so gefertigt ist, dass sie ohne Einbußen hinsichtlich Detailtreue und Formstabilität durch maximale Langlebigkeit besticht“, betont der WACKER-Chemiker. Auf Grundlage dieser einzigartigen Ergebnisse hat Kipsilista nun sein Angebotsspektrum erweitert und fertigt seit Kurzem auch klassische Stuckaturen mit integrierter LED-Beleuchtung.

Stuckornamente an Decken sind ein typisches und begehrtes Element historischer Gebäude aus der Wilhelminischen Zeit. Sie können mit Siliconkautschuk abgeformt und repliziert werden.

Petri Hakala und Marjut Nättinen, die Eigentümer von Kipsilista, gründeten das Unternehmen nach ihrem Hausbau im finnischen Korpilahti am Ufer des malerischen Päijänne-Sees. Das Paar wünschte sich Stuckelemente für das neue Haus, konnte diese jedoch laut Hakala nur in Antiquitätengeschäften zu horrenden Preisen finden. Gebäude in Finnland wurden damals nur mit Stuckaturen ausgestattet, wenn dies im Auftrag der finnischen Behörde zum Erhalt des materiellen Kulturguts erfolgte. So gründete das Paar 2002 bereits vor seinem Einzug in das neue Haus ein auf Stuckaturen spezialisiertes Unternehmen. Kurze Zeit darauf nahm der neue Stuckateurbetrieb von Hakala und Nättinen im Erdgeschoss des Hauses am Päijänne-See seine Arbeit auf. Bis heute befindet sich dort ein Lager für die begehrtesten Stuckelemente von Kipsilista.

Immer von Hand gefertigt

Stuckelemente werden bei Kipsilista stets von Hand gefertigt, ganz gleich, ob es sich um einen simplen Türstopper oder um dekorative Deckenornamente handelt. Die Formen für die Stuckarbeiten werden ebenfalls in Korpilahti hergestellt. Die Einarbeitung eines floralen Musters unter Verwendung eines 10-Zentimeter-Spachtels gelingt nur von handwerklicher Meisterhand. Laut Hakala dauert die Anbringung eines einzigen Ornaments fast eine Stunde. Nach 18 Jahren Entwicklungszeit fertigt Kipsilista heute durchschnittlich 27 Meter Stuck pro Tag.

Die Gestaltung, Fertigung und Montage von Stuckelementen sind eine arbeitsintensive Kunst. Die Fertigung eines Gipsstuckelements beginnt, nachdem ein Architekt die gewünschte Form und Größe auf Papier oder digital gezeichnet hat. Mit einer Mini-Bohrmaschine mit Sägeblatt fertigt der Stuckateur dann eine Ziehschablone aus Holz oder Stahl, die der noch flüssigen und weichen Gipsmasse das gewünschte Profil verleiht. Die Ziehschablone ist an einem handbetätigten Schlitten montiert, der für das Ziehen des gewünschten Stuckprofils ausgelegt ist. Bei Rundzügen, beispielsweise für scheibenförmige Rosetten, erfolgt das manuelle Ziehen der Schablone entlang der Kreisachse. Durch dieses Verfahren entsteht das Ausgangsmodell, das als Grundlage für die Herstellung der Negativform aus Siliconkautschuk dient.

„Die Zugarbeit erfordert äußerste Präzision. Dabei muss die Schlittenbewegung leichtgängig erfolgen, was bei Dekorelementen eine wahre Herausforderung ist. Das Ziehen gestaltet sich hier eher schwierig“, erklärt Hakala.

„Besonders bei diesen historischen Projekten kommt es auf Detailtreue an.“

Dr. Thomas Gröer, Technisches Marketing, WACKER SILICONES

Mit Sperrholz umrahmt

Zur Herstellung der Siliconkautschukformen wird das Modell auf dem Tisch mit Sperrholz umrahmt, um die erforderlichen Kanten zu bilden. Anschließend wird Zweikomponentensilicon eingefüllt. Auf Empfehlung des zur Biesterfeld-Gruppe gehörenden Chemiehandelsunternehmens Lindberg & Lund fertigt Kipsilista seine Formen aus den Siliconkautschuken ELASTOSIL® VARIO 15 und VARIO 40 von WACKER.

„Aufgrund ihrer niedrigen Viskosität verleihen diese Silicone den Formen besondere Eigenschaften wie Schrumpffreiheit und gute Verarbeitung“, erläutert Dr. Thomas Gröer von der WACKER-Anwendungstechnik. „Zudem kann die Vulkanisierzeit je nach Form und je nachdem, ob der Prozess beschleunigt werden muss, variiert werden. Für einen tiefen Hinterschnitt wird beispielsweise ein weicheres Silicon mit guter Dehnbarkeit benötigt. Das Material eignet sich dann ideal für filigranere Details und zeichnet sich durch eine höhere Widerstandsfähigkeit aus.“

Der Gips bei wird Kipsilista in Chargen zu je 1.200 Kilogramm aus Deutschland angeliefert. Der von Kipsilista verwendete reine Gips enthält keine Kohle oder andere sandhaltige Bestandteile, wie sie aufgrund ihrer geringen Kosten häufig in der Großserienfertigung von Gipsplatten zum Einsatz kommen. Stattdessen verwendet Kipsilista Künstlergips, der vollständig recycelbar, emissionsfrei, nicht brennbar und schrumpffrei ist. All diese Faktoren sind Garant für ein qualitativ hochwertiges Endprodukt.

Die Fertigung der Stuckelemente erfolgt in mehreren mit großer Sorgfalt durchzuführenden Schritten. „Der Gips wird in Säcken auf einem Rollwagen in unsere Werkstatt verbracht und in der Nähe des Zugtisches bereitgestellt. Zum Anmachen wird der Gips in einen Behälter mit Wasser eingestreut. Das Wasser-Gips-Gemisch kann gerührt werden, sobald sich auf der Oberfläche des kalten, sauberen Wassers Gipsinseln bilden“, erläutert Hakala. Die Gipsmasse wird mit einer Bohrmaschine mit Rührwerkaufsatz durchgemischt. Im nächsten Schritt wird der Gips mit einem Pinsel von Hand auf die Oberfläche der Form aufgebracht. Dieser arbeitsintensive und mit größter Sorgfalt durchzuführende Schritt verhindert die Bildung von Luftblasen an der Oberfläche des fertiggestellten Stuckelements. Anschließend wird die Gipsmasse über die Form gegossen. Das zuvor auf die richtige Größe geschnittene Glasfasergewebe (300 g/m²) wird auf und in den Gips gedrückt. Dieser Schritt ist immens wichtig, um dem Material die erforderliche Stabilität für die nächsten Bearbeitungsschritte zu verleihen.

Nach dem Abbinden der Gipsmasse kann das fertig geformte Produkt vorsichtig entformt und zum Trocknen an einen Deckenhaken gehängt werden. „Das aus Gips gefertigte Produkt enthält wesentlich mehr Wasser als ein vergleichbares Betonprodukt. Unmittelbar nach der Entformung wiegt das Gipsprodukt noch fast doppelt so viel wie nach dem Trocknen“, so Hakala.

ELASTOSIL® VARIO 15

ELASTOSIL® VARIO 15
ist ein gießbarer, additionsvernetzender Zweikomponenten-Siliconkautschuk, der bei Raumtemperatur vulkanisiert. Aufgrund seiner Beständigkeit gegen alle üblichen Reproduktionswerkstoffe wie Gießharze, Beton und Gips und seiner mechanischen Festigkeit eignet sich ELASTOSIL® VARIO 15 besonders gut für Formen jeglicher Art. Als additionsvernetzender Siliconkautschuk mit niedriger Shore-Härte A und schrumpffreier, dimensionstreuer Vulkanisation ist ELASTOSIL® VARIO 15 zudem die ideale Lösung für die Herstellung detailgetreuer Kopien von Modellen. ELASTOSIL® VARIO 15 kann mit ELASTOSIL® VARIO 40 abgemischt werden, um gewünschte Shore-Härten A zwischen 15 und 40 zu erreichen.

Eigenschaften
- Zwei Basiskomponenten, zwei Katalysatoren
- Leichte Verarbeitung durch niedrige Viskosität
- Schnelle und schrumpffreie Vulkanisation bei Raumtemperatur, über großen Bereich anpassbar
- Niedrige Shore-Härte A von 15
- Hohe Dehnbarkeit, hervorragende Zugfestigkeit
- Exzellente Reißfestigkeit
- Vulkanisat transluzent und farblos
- Einfärbbar mit 1–4 % ELASTOSIL® FL Farbpaste

Besondere Merkmale von ELASTOSIL® VARIO 15
- Additionsvernetzend
- BfR-konform
- Schnellvernetzend
- FDA-konform
- Niedrige Viskosität
- Schrumpffrei
- Zwei Komponenten

Eine 2,5 Meter lange Gipsplatte ist in etwa 20 Minuten fertig zum Trocknen. Fertige Stuckelemente müssen ein bis zwei Tage trocknen, bevor sie abgeschliffen und verpackt werden können. Dabei werden über Nacht zwei Bautrockner betrieben, um die aus den fertigen Stuckelementen austretende Feuchtigkeit abzuführen.

Die Stuckateure von Kipsilista arbeiten vorwiegend mit ihren bloßen Händen, denen der Gips mit seinem pH-Wert von 7 scheinbar nichts anhaben kann. Die Hände werden nicht am Waschbecken, sondern in einem Eimer Wasser gewaschen, da der Gips sonst die Abflussleitungen verstopfen würde. Der Restgips aus den Eimern wird über spezielle Recyclingbehälter im Zentrum von Jyväskylä entsorgt. Träger und Erweiterungen der Stuckelemente werden am Montageort erstellt.

Hakala ist stolz auf die Projekte, die er und sein Team bei Kipsilista umgesetzt haben, um Gebäuden in ganz Finnland eine edle Optik zu verleihen oder diese zu bewahren. Ebenso stolz ist Dr. Gröer von WACKER auf die Wissenschaft, die dahinter steckt: „WACKER zählt zu den weltweit führenden Herstellern von Siliconkautschuk, der für solch komplizierte Projekte benötigt wird, sei es in der Architektur, im Design oder auch in Bereichen wie Fernsehen und Theater, wo einzigartige und gleichzeitig langlebige Formen gefragt sind.“

Die aus der Siliconkautschukform entnommenen Deckenrosetten sind eine detailgetreue Replik des historischen Originals.

Kontakt

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Herr Dr. Thomas Gröer
Leiter Technisches Marketing
Industrial Solutions, WACKER SILICONES
+49 8677 83-6940
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