Im Labor mit dem Sandmann
„Sand“ bezeichnet ein Sediment, das über seine Korngröße bestimmt wird. In den meisten Ländern muss Sand überwiegend eine Körnung von 0,063 bis 2 mm aufweisen. Sind die Körner kleiner, spricht man von Schluff, sind sie größer handelt es sich um Kies. Die Körner können aus sehr unterschiedlichen Mineralien und chemischen Komponenten bestehen. Der mit Abstand größte Teil der Sande auf unserer Erde besteht jedoch aus Quarzkörnern (Quarzsand, oder auch Siliciumdioxid). Weil Silicium nach Sauerstoff das häufigste chemische Element der Erde ist, bestand lange der Eindruck, dass die Sandvorräte quasi unerschöpflich seien.

Das hat sich dramatisch geändert. Bereits 2014 veröffentlichte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) einen Bericht, der nachdrücklich darauf hinwies, dass die Menschheit zu viel Sand verbraucht. Der neue Bericht von 2022 spricht bereits von einer realen „Sandkrise“. Denn Sand ist nicht nur für die Bauindustrie und zahlreiche andere Industrien ein wichtiger Rohstoff; Sand spielt auch in unseren Ökosystemen eine entscheidende Rolle. Alle 17 Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs) hängen direkt oder indirekt mit der Ressource Sand zusammen.*

Zeit, dass wir Sand aufs Korn nehmen
Besonders kritisch ist der Abbau von Fluss-, Küsten- oder Meeressand zu sehen, weil hier direkt in Ökosysteme eingegriffen wird. Der Abbau von Sand schädigt die Biodiversität, fördert Erosion und schwächt die Resilienz von Deltas und Küstengebieten gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels. Gerade dieser Typ Sand ist aber für die Bauindustrie besonders wertvoll, weil er die optimale Kornform hat für die Formulierung von Beton und Mörtel.
Ein Dilemma? Eher eine Herausforderung. Denn wenn das so ist – müssen wir dann nicht einfach unsere Formulierungen so ändern, dass auch andere Aggregate optimale Ergebnisse liefern? Aber wie „einfach“ ist das? Drei Teams aus unseren Mörtellaboren haben sich damit beschäftigt und sich auf die Suche nach regionalen Antworten vor Ort gemacht. Wir laden Sie ein, mit uns auf die Reise zu gehen zu mehr Kreislaufwirtschaft im Bausektor. Drei Stationen erwarten Sie: unsere Experten in Burghausen (Deutschland), Mumbai (Indien) und Dubai (VAE).
Erste Station Burghausen: Aufbruch mit Recyclingbeton
Da die Bauindustrie nicht nur große Mengen an Sand verbraucht, sondern auch riesige Mengen an Bauschutt produziert, liegt es nahe, diesen Schutt als Rohstoff einzusetzen. Unser Team in Burghausen verfolgte deshalb die Idee, Sand durch feinkörnige Bruchstücke aus recyceltem Beton zu ersetzen.
Ausgangsmaterial war Recyclingbeton von der Ettengruber GmbH Recycling und Verwertung, der von den Laboren für Baustoffe und Bauchemie an der Fachhochschule München unter der Leitung von Professor Andrea Kustermann auf die erforderliche Größe zerkleinert wurde.
„Wir haben mit Partikeln in einer Größe von bis zu 1,25 mm experimentiert und zunächst untersucht, wo die Unterschiede zwischen einem üblichen Quarzsand-Kalkstein-Gemisch und dem Betonbruch liegen.“
Dr. Klas Sorger, Technical Service Manager, EuropaEin weiterer Unterschied zeigt sich bei der Untersuchung mit einem Kapillarpyknometer gemäß DIN 18124. Die Partikeldichte des Recyclingbetons lag mit 2,30 und 2,40 g /m3 unter der des Quarzsandes mit 2,63 g/m3. Das lässt auf eine größere Anzahl feiner Poren mit Durchmessern zwischen 10 Nanometern und 5 Mikrometern schließen, was Messungen mit einem Quecksilberinjektionsporosimeter bestätigten.
„Der hohe Anteil an feinen Partikeln und feinen Poren erfordert eine Anpassung der Fliesenkleber-Formulierung. Um dieselbe Konsistenz zu erhalten, muss der Fliesenkleber mit Recyclingbeton mit mehr Wasser angemischt werden. Auch das polymere Bindemittel haben wir entsprechend gewählt. Entschieden haben wir uns für VINNAPAS® 8620 E. Das Dispersionspulver auf Basis von VAE und VC (Vinylchlorid) verbessert die Nassfestigkeit und Flexibilität des Klebers.“
Dr. Klas Sorger
Bestimmung der offenen Zeit durch Messung der Haftzugfestigkeit. Bei Rezepturen auf Basis von Recyclingbeton war die Haftzugfestigkeit nach 20 und 30 Minuten besser als bei den Referenzformulierungen. Entsprechend länger waren die offenen Zeiten.
Als Referenz wurde ein Fliesenkleber der Klasse C2TES1 angemischt. In zwei Beispielformulierungen wurden jeweils 25 % bzw. 50 % des Quarzsandes durch Recyclingbeton ersetzt und die Wassermenge entsprechend angepasst. Anschließend wurden normgerechte Tests am Frischmörtel und dem ausgehärteten Fliesenkleber durchgeführt.
„Bei den entscheidenden Frischmörteleigenschaften wie Viskosität, Dichte und Standfestigkeit konnten wir keine Unterschiede feststellen. Bei der Benetzungsfähigkeit zeigten sich die Beispielformulierungen sogar als überlegen: Je höher der Anteil an Recyclingbeton, desto besser die Benetzungsfähigkeit. Das bedeutet auch eine verbesserte offene Zeit, was insbesondere heute, wo große Fliesen verlegt werden, von Vorteil ist.“
Dr. Klas Sorger
Studie über die Anfangshaftfestigkeit (grau) im Vergleich zu den Werten der Haftzugfestigkeit nach Lagerung in Wasser (blau), bei erhöhten Temperaturen (lila) und unter Frost-Tau-Bedingungen (orange). Die Ergebnisse für Formulierungen auf Basis von Recyclingbeton unterschieden sich nicht signifikant von denen der Referenzformulierung.
Interessanterweise haben verbesserte Benetzungsfähigkeit und längere offene Zeit keinerlei negativen Einfluss auf die Anfangshaftzugfestigkeit oder die Haftzugfestigkeit nach Wasser-, Wärme- oder Frost-Tau-Lagerung. Ein Team der Technischen Universität Lissabon vermutet als Grund, dass die feinporigen Partikel des Recyclingbetons als Wasserreservoirs fungieren, die das Wasser über die Zeit freigeben.
„Wir haben die Tests ein halbes Jahr später mit einer anderen Charge Recyclingbeton der Firma Ettengruber wiederholt. Erfreulicherweise konnten wir die Ergebnisse der vorherigen Studie reproduzieren, was darauf hindeutet, dass sich die Chargen nicht wesentlich unterschieden. Für die Praxis kann das heißen, dass die Formulierung nur einmal an den lokal verfügbaren Recyclingbeton angepasst werden muss. Das zeigt einen möglichen Weg zu mehr Kreislaufwirtschaft bei Fliesenklebern.“
Dr. Klas SorgerZweite Station Mumbai, Indien: Bauen auf künstlichem Sand
Die Industrie schätzt, dass der Sandbedarf in Indien im Jahr 2023 etwa 1.006 Millionen Tonnen betragen und weiter steigen wird. Gleichzeitig sind die Umweltauswirkungen des Sandabbaus auf die Ökosysteme der Flüsse allgemein bekannt, wie zum Beispiel Sedimentrückgang, Ufererosion und die Verschlechterung des Lebensraums. Studien zeigen, dass sich die Sedimentfracht des Ganges-Brahmaputra-Deltas zwischen 1960 und 2008 von einer Milliarde Tonnen auf 500 Millionen Tonnen pro Jahr halbiert hat. Dieser Rückgang des Sedimentflusses ist größtenteils auf menschliche Aktivitäten wie den Sandabbau zurückzuführen.
Eine Alternative zu natürlichem Flusssand ist künstlich hergestellter Sand (M-Sand, kurz für „Manufactured Sand“). Er wird hergestellt, indem man Felsen, Bruchsteine oder größere Aggregate in sandgroße Partikel zerkleinert. Dies geschieht in einem dreistufigen Verfahren mit Backenbrechern, Kegelbrechern und Vertikalprallbrechern. Das Ergebnis ist fein abgestufter Schotter mit einer einheitlichen Korngröße, der die Eigenschaften von natürlichem Sand imitiert.
„In Indien herrscht Sandknappheit, vor allem in der südlichen Region. Infolgedessen erhalten wir Anfragen für Sandalternativen. Die meistgefragte Alternative ist M-Sand“.
Surabhi Jain, Leiterin des technischen Kundendienstes in IndienBei näherer Betrachtung fanden wir typische Unterschiede zwischen Flusssand und M-Sand. Zu den wichtigsten gehören:
- Körnung und Partikelgröße: M-Sand kann mit einer bestimmten Korngröße und -verteilung hergestellt werden, wir empfehlen eine ähnliche Korngröße wie bei Flusssand.
- Form und Textur: Natürlicher Sand hat eine rundere Form und eine glattere Textur als industriell hergestellter Sand, der in der Regel eine kubische Form mit rauen Oberflächen aufweist.
- Feuchtigkeitsgehalt: Feuchtigkeit ist nur in wassergewaschenem M-Sand vorhanden. In natürlichem Sand ist Feuchtigkeit immer vorhanden, da sie zwischen den Partikeln eingeschlossen ist.
- Festigkeit des Betons: Aufgrund ihrer speziellen kubischen Form verzahnen sich die hergestellten Körner leicht. Im Beton führt dies zu einer höheren Verbundfestigkeit, Druckfestigkeit und einem höheren Elastizitätsmodul.
- Schluffgehalt: M-Sand hat keinen Schluff. Bei Flusssand beträgt der zulässige Schluffgehalt mindestens 3 % und kann bis zu 20 % betragen.
- Reinheit: M-Sand ist nicht nur schlufffrei, sondern enthält auch keinen Ton oder Staub und hat eine dichtere Partikelpackung. Die geringere Anzahl von Hohlräumen reduziert die bei der Betonherstellung benötigte Zementmenge.
„M-Sand wird hauptsächlich zur Betonherstellung verwendet, da er eine gute Druckfestigkeit, Haltbarkeit und Verarbeitbarkeit bietet. In Fliesenkleberformulierungen konnten wir eine gute Haftzugfestigkeit feststellen, es gab aber Herausforderungen bei der offenen Zeit und der Verarbeitbarkeit.“
Surabhi Jain
Wie man sieht, ist die Haftzugfestigkeit der M-Sand-Formulierungen mindestens so gut wie bei der Standardformulierung. A: Nach Standardkonditionierung (SC): 28 Tage, 23 ± 2 °C & 50 ± 5 % Luftfeuchtigkeit; B: Nach Wasserlagerung: 7 Tage SC + 21 Tage Wasserlagerung; C: Nach Wärmelagerung: 14 Tage SC + 14 Tage bei einer Ofentemperatur von 70 °C
In unserem Technischen Kompetenzzentrum haben wir verschiedene Arten von Sand in Fliesenkleberformulierungen getestet. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Flusssand bis zu 100 % durch M-Sand ersetzt werden kann – vorausgesetzt, die Qualität stimmt.
Die folgenden Ergebnisse wurden mit drei Formulierungen erzielt: Nr. 1 ist eine Standardformulierung mit 100 % Quarzsand. In Formulierung Nr. 2 wurde der Quarzsand durch 100 % M-Sand ersetzt, und in Formulierung Nr. 3 wurden 20 % durch M-Sand ersetzt. Alle drei Fliesenkleber wurden mit 2 % unseres neutralen Standard-Dispersionspulvers VINNAPAS® 5010 N modifiziert.

Die offene Zeit ist ein wichtiger Indikator dafür, wie lange der Fliesenleger die Fliesen in den aufgetragenen Fliesenklebermörtel einbetten kann und trotzdem eine bestimmte Mindesthaftzugfestigkeit erreicht wird. Die offene Zeit nimmt mit steigender Menge an M-Sand ab und ist bei der Formulierung Nr. 2 mit 100 % M-Sand drastisch niedriger.

Wir haben zwei Möglichkeiten getestet, um diesen Effekt zu kompensieren. Erstens haben wir die neutrale VINNAPAS® Type durch eine speziellere Type ersetzt. VINNAPAS® 8620 E wurde speziell für eine höhere offene Zeit und bessere Verarbeitbarkeit in Fliesenklebern entwickelt. Zweitens haben wir den Wasserbedarf in den Formulierungen erhöht.
Bereits in der Standardformulierung ist der Einfluss von VINNAPAS® 8620 E auf die offene Zeit zu beobachten. Dieser ist in der Formulierung mit 100 % M-Sand noch ausgeprägter. Mit VINNAPAS® 8620 E wird die Haftzugfestigkeit nach 20 Minuten mehr als verdreifacht.

Empfehlungen auf einen Blick
Zusammenfassend empfehlen wir Kunden, die Flusssand durch M-Sand ersetzen wollen, drei Hebel zu nutzen:
- M-Sand mit einer ähnlicher Korngröße wie Flusssand wählen
- Menge des M-Sand anpassen
- Negative Auswirkungen durch ein geeignetes polymeres Dispersionspulver ausgleichen
„Ich bin davon überzeugt, dass dies der richtige Weg ist: Wir sollten uns nicht damit beschäftigen, wie wir weiterhin mit Materialien arbeiten, von denen wir wissen, dass die ökologischen Kosten so hoch sind. Wir sollten daran arbeiten, wie wir hochwertige Fliesenkleber mit den Materialien herstellen können, die uns vernünftigerweise zur Verfügung stehen. Ich kann Sie nur dazu auffordern, mit uns den Anfang zu machen. Denn wenn alle eng zusammenarbeiten, kommen wir einer Kreislaufwirtschaft im Bauwesen näher.“
Gustavo Soares, Global Segment Manager für FliesenkleberanwendungenBleiben Sie informiert!
Unsere Kolleginnen und Kollegen im Technischen Kompetenzzentrum Dubai führen derzeit Tests mit Dünensand in Fliesenkleberformulierungen durch. Die Ergebnisse werden wir hier veröffentlichen, sobald die Tests abgeschlossen und ausgewertet sind.
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