Mission 1: Weniger verbrauchen – nachwachsende Rohstoffe nutzen
Wer nachhaltig bauen will, muss vor allem eins beherzigen: den Einsatz von Rohstoffen verringern.
Neue Technologien und Materialien machen das heute möglich. Ein ganz einfaches Beispiel aus dem Alltag zeigt, wie das funktioniert. Fliesenkleber kommen im Bad, in der Küche, in Schwimmbädern oder in Gewerbebetrieben zum Einsatz. „Dank unserer Bindemittel können Fliesenleger heute mit dem modernen Dünnbett-Verfahren arbeiten“, erklärt Dr. Tobias Halbach, der im Bereich WACKER POLYMERS neue Technologien für den Bereich Bau entwickelt. Handwerker verbrauchen so weniger Fliesenkleber, arbeiten sparsamer und nachhaltiger. Zum Vergleich: Beim Dünnbett-Verfahren ist die Kleberschicht nur zwei bis sechs Millimeter stark, beim Dickbett-Verfahren sind es bis zu 30 Millimeter. Weltweit wird auf vier von fünf Baustellen noch das Dickbett-Verfahren genutzt. Das zeigt: Hier gibt es noch viel Potenzial, um Rohstoffe einzusparen.
Mit polymeren Dispersionspulvern lässt sich aber noch mehr erreichen. Dr. Halbach: „Die Kombination aus dem Dünnbettverfahren und rund drei Prozent unserer Bindemittel genügt, um bis zu 90 Prozent an Sand und Zement einzusparen.“ Viele Fliesenkleber benötigten zudem Additive, um Haftung und Standfestigkeit zu gewährleisten. „Wir haben unsere Bindemittel so weiterentwickelt, dass wir auf einen Teil dieser Zusatzstoffe verzichten können, ohne dass die Qualität darunter leidet“, sagt Dr. Halbach.
Besonders wichtig ist das für einen aktuellen Trend. Zurzeit sehr beliebt sind großformatige Fliesen, die allerdings schwieriger zu verlegen sind. Die WACKER-Experten haben Dispersionspulver entwickelt, die den Klebern dafür eine sehr hohe Standfestigkeit geben. Das bedeutet: Der Kleber fließt nach dem Auftragen an der Wand nicht herunter. Gleichzeitig verleiht das Dispersionspulver dem ausgehärteten Fliesenkleber Flexibilität, um Spannungen auszugleichen. Das ist wichtig, damit die Fliesen widerstandsfähig gegenüber Stößen sind und nicht brechen.
„Wir haben unsere Bindemittel so weiterentwickelt, dass wir auf die Zusatzstoffe verzichten können, ohne dass die Qualität darunter leidet.“
– Dr. Tobias Halbach
Ein weiterer Trend in der Branche: Bauherren setzen verstärkt auf Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen. WACKER bietet auch hier Lösungen. Vor allem bei Wandinnenfarben setzen sich immer stärker ökologisch nachhaltige Lösungen durch. „Wir haben für Polymerdispersionen, die teilweise auf nachwachsenden Rohstoffen basieren, sogar eine neue Produktlinie kreiert: VINNECO® (heute VINNAPAS® eco)“, sagt Dr. Markus Busold, zur Markteinführung verantwortlich für strategisches Marketing im Bereich WACKER POLYMERS. „Um solche Bindemittel herzustellen, nutzen wir biobasierte Essigsäure.“ In der holzverarbeitenden Industrie ist das ein Nebenprodukt. Es wird also kein zusätzlicher Baum gefällt.
Die Basis für die produzierte Bio-Essigsäure sind Bäume aus zertifizierten Wäldern, die sich im Umkreis von 400 Kilometern um den WACKER-Standort Burghausen befinden. Die von WACKER verwendete Essigsäure basiert dabei auf dem System PEFC® für nachhaltige Waldbewirtschaftung.
„Die Bio-Essigsäure ist identisch mit derjenigen aus fossilen Rohstoffen,“ erklärt Busold. In weiteren Schritten produziert WACKER daraus Vinylacetat-Ethylen, kurz VAE. Eingesetzt als Bindemittel, sorgt die Polymerdispersion dafür, dass alle Komponenten in Wandfarben optimal zusammenhalten und die aufgetragene Farbe dauerhaft auf der Wand bleibt.
Der Markt für biobasierte Farben und Lacke wächst – erwartet wird eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von über vier Prozent bis zum Jahr 2024. Deswegen hat WACKER ein weiteres Verfahren entwickelt, um Bindemittel aus nachwachsenden Rohstoffen zu produzieren. „Dazu kooperieren wir mit dem niederländischen Unternehmen Dynaplak, das pflanzliche Stärke nutzt. Diese fällt als Rückstand in der Kartoffelverarbeitung an“, sagt Busold. Das natürliche Polymer besitzt bindende Eigenschaften, die die Dynaplak-Experten optimieren. „Wir kombinieren die veredelte Stärke mit unseren VAE-Polymeren zu einem neuen Hybridbindemittel“, erklärt Busold. Der Vorteil: Die Stärke verringert den benötigten VAE-Anteil um ein Drittel – und damit auch den Verbrauch von fossilen Rohstoffen.
Mission 2: Mehr Energieeffizienz – weniger Kohlendioxid
Das Klima zu schützen heißt auch, effizienter mit Energie umzugehen und weniger Treibhausgase freizusetzen.
Mehr als die Hälfte der Energie, die Gebäude benötigen, entfällt auf die Heizung. Dabei geht viel Wärme verloren – besonders über die Fassade. „Je besser Gebäude gedämmt sind, desto weniger muss geheizt werden. 30 Prozent und mehr an Energie lässt sich über Wärmedämmverbundsysteme, kurz WDVS, einsparen“, sagt Dr. Halbach. Außen angebracht, verhindern sie, dass die Mauern im Winter zu stark auskühlen oder sich im Sommer unnötig aufheizen. Damit das Verbundsystem seine wärmeisolierende Wirkung optimal entfalten kann, müssen die einzelnen Schichten fest aufeinander haften. „Dafür sorgen unsere Bindemittel“, erklärt Dr. Halbach. Gleichzeitig machen die Polymere die Klebemörtel und Putze flexibel. Bindemittel von WACKER sind deswegen der Schlüssel für ein dauerhaft stabiles Dämmsystem.
Silicone von WACKER spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, wenn es um die Isolierung von Gebäuden geht.
Sie machen die verwendeten Dämmstoffe – allen voran Glas- und Steinwolle – wasserabweisend, also hydrophob. „Den Vorteil kennt jeder: Ein trockener Pullover wärmt besser als ein nasser“, sagt Dr. Rudolf Hager, der den Bereich Bauchemikalien bei WACKER SILICONES leitet. Das belegen auch Zahlen: Ein einziger Quadratmeter ungedämmten feuchten Ziegelmauerwerks führt zu einem Mehrverbrauch von zwölf Litern Heizöl pro Jahr. Bei einem Einfamilienhaus mit rund 180 Quadratmetern Fassadenfläche steigt der Verbrauch um mehr als 2.000 Liter Heizöl jährlich.
Weil Mineralwolle nicht brennbar ist, liegt das Dämmmaterial stark im Trend. Produkte, die mit biobasierten Bindemitteln hergestellt wurden, vertragen allerdings keine Nässe. WACKER-Experten haben deshalb Siliconemulsionen entwickelt, welche die Mineralwolle vor Feuchtigkeit und damit vor Mikroorganismen schützen.
„Unsere Silicone verbessern nicht nur die isolierenden Eigenschaften des Dämmmaterials, sondern ermöglichen auch den Einsatz von Mineralwolle in feuchter Umgebung.“
– Dr. Rudolf Hager
Nicht jede Fassade lässt sich mit einer Außendämmung ausstatten. So etwa bei denkmalgeschützten Gebäuden, deren Aussehen nicht verändert werden darf. Mit Siliconharzfarben und siliconbasierten Hydrophobiermitteln von WACKER lassen sich dennoch bei solchen Bauten Wärmeverluste verringern. Der Grund: Silicone halten die Fassade trocken. Auch die Dampfdurchlässigkeit wird nicht beeinträchtigt. „Die Fassade kann atmen“, sagt Hager. „Das ist wichtig für ein gutes Raumklima und verbessert die Haltbarkeit der Bausubstanz“, sagt Hager.
Mission 3: Weniger Schadstoffe – gesünder Wohnen
Nachhaltiger zu bauen heißt auch, möglichst gesundheitlich unbedenkliche Produkte und Inhaltsstoffe zu verwenden. Schadstoffe auf ein Minimum zu reduzieren, steht ganz oben auf der WACKER-Agenda. „Gleichzeitig haben wir immer den Anspruch, die Qualität und Funktionalität mindestens zu halten“, sagt Dr. Arndt Schlosser, der bei WACKER SILICONES den Bereich Dicht- und Klebstoffe leitet. „Ein Beispiel dafür sind Parkettkleber: Sie lassen sich mit Hybridpolymeren von WACKER isocyanat- und lösemittelfrei formulieren. Die Rezepturen benötigen zudem keine Zinnkatalysatoren.“
Das Team um Schlosser hat bereits weitere Anwendungsfelder für die Hybridpolymere entwickelt: sogenannte Flüssigabdichtungen. Diese schützen als wasserdichte, naht- und fugenlose Membranen die Bausubstanz vor Feuchtigkeitsschäden: von den Keller- und Hauswänden über Balkone und Terrassen bis hin zum Dach. Hier können sie konventionelle Abdichtungssysteme ablösen, die toxikologisch bedenkliche Substanzen oder leichtflüchtige organische Verbindungen, kurz VOCs für Volatile Organic Compounds, enthalten. „Mit unseren Hybridpolymeren haben wir ein innovatives Abdichtsystem entwickelt, das frei ist von Weichmachern und Lösemitteln“, erklärt Schlosser. Das Abdichtsystem bildet eine Barriere gegen Wasser, einem der größten Feinde von Bauwerken. Diese sind dadurch gerüstet gegen Schimmelpilze und besser wärmeisoliert.
„Wir haben unsere Produkte umweltfreundlicher formuliert und dabei sogar das Aushärteverhalten verbessert.“
– Dr. Arndt Schlosser
- A – Klebstoffe: Silicone und Polymere geben Klebstoffen Funktionalität, Vielseitigkeit und Nachhaltigkeit.
- B – Bautenfarben: Die Polymertechnologie kombiniert hohe Produktleistung mit niedrigen Emissionswerten.
- C – Papier: Vinylacetat eignet sich hervorragend für Papier- und Pappe-Anwendungen.
- D – Dichtstoffe: Silicone sorgen für dichte Fenster.
- E – Technische Textilien: VINNAPAS® bietet flexible Lösungen für Herausforderungen des Vliesstoffmarktes.
- F – Teppichboden: Polymere Dispersionen optimieren Festigkeit und Flexibilität von Teppichböden.
Es gibt zahlreiche Anwendungen, bei denen Handwerker heute auf lösemittelfreie Kleb- und Dichtstoffe von WACKER zurückgreifen können. Sogenannte Silicondichtmassen auf Alkoxybasis helfen dabei, Fensterrahmen ins Mauerwerk zu integrieren, Glas zu versiegeln, Türen abzudichten oder die neue Arbeitsplatte in die Küche einzubauen.
Die WACKER-Experten entwickeln die Formulierungen stetig weiter. „Wir haben unsere Produkte umweltfreundlicher formuliert und dabei sogar das Aushärteverhalten verbessert“, erklärt Schlosser. Gleichzeitig trotzen die Fugen höchsten Beanspruchungen, sei es rein mechanisch oder durch Temperaturschwankungen. Damit tragen die Silicondichtmassen zu mehr Langlebigkeit des gesamten Hauses bei.
Wasser gilt zwar als Feind von Bauwerken, aber in den meisten Wandfarben finden sich wasserbasierte Bindemittel.
„Der Nachteil ist, dass Wasser einen Nährboden für Keime und Bakterien bietet“, erklärt WACKER-Experte Busold. Deswegen werden meist Biozide zugegeben, die die Farbe haltbarer machen. Beim Trocknen der angestrichenen Wand entweichen die Biozide jedoch in die Raumluft. Die WACKER-Experten haben eine Innenwandfarbe in Pulverform entwickelt. „Wir können dabei auf den Zusatz von Konservierungsmitteln und Bioziden verzichten“, erklärt Busold. Der Grund: Die Pulverfarben werden erst vor dem Anstrich auf die Wand wieder in Wasser aufgelöst.
Beim Trocknen verdampft dann also lediglich Wasser. Ein weiterer Vorteil: Aufgrund der Pulverform können sie nicht bei Kälte gefrieren oder bei Hitze verdicken, so wie herkömmliche Wandfarben.
Jede Mission birgt ihre ganz eigenen Herausforderungen. Zusammengenommen tragen sie alle zu mehr Nachhaltigkeit bei und helfen dabei, den Klimaschutz voranzutreiben.
Modellhaus-Projekt Dubai
Nachhaltig bauen im Nahen Osten
Mit diesem Ziel haben sich der WACKER-Konzern und die staatlichen Dubai Central Laboratories (DCL) zusammengeschlossen. Hintergrund der Initiative: Die „Energiestrategie 2050“ der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate. Sie zielt darauf ab, den Anteil sauberer Energie am Gesamtenergiemix bis 2050 auf 50 Prozent zu erhöhen und den CO2-Fußabdruck bei der Stromerzeugung um 70 Prozent zu reduzieren.
Im Rahmen des Projekts wurde eine einjährige Modellhausstudie durchgeführt, die im August 2018 begann. Zwei kleine Musterhäuser ermöglichen den Vergleich zwischen konventionellen und nachhaltigen Baustoffen: Ein Haus wurde nicht isoliert, im Außen- und Innenbereich mit einer Standardfarbe angestrichen, Türen und Fenster wurden mit einer Standard-Dichtungsmasse versiegelt.
Das nachhaltige Haus erhielt dagegen ein Wärmedämmverbundsystem. Die Fassade wurde mit einer Farbe angestrichen, die vor Feuchtigkeit und Umwelteinflüssen schützt. Den Boden statteten die Handwerker mit einer polymermodifizierten Dichtungsschlämme als Wasserbarriere aus. Darauf kam eine Fliesenschicht mithilfe des Dünnbett-Verfahrens. Die Innenwände erhielten einen Anstrich mit Farbe, die keine organischen Lösungsmittel benötigt und geruchsarm ist. Türen und Fenster wurden mit hochbelastbaren und witterungsbeständigen Außenfugen versehen.
In beiden Häusern sorgten Klimaanlagen für eine Temperatur von 23 Grad Celsius. Die DCL-Experten zeichneten jeweils den Energieverbrauch, die Innentemperatur und -feuchtigkeit, die Lufttemperatur und -feuchtigkeit sowie die flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs) auf.
Nach der einjährigen Testphase zeigen die Ergebnisse:
Das nachhaltig gebaute Modellhaus schneidet deutlich besser ab als das Haus mit herkömmlichen Materialien. Ein besonders beeindruckendes Ergebnis: Das gedämmte Modellhaus verbraucht fast 60 Prozent weniger Energie als das konventionelle. Das verringert die CO2-Emissionen um den gleichen Betrag.